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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
42. Jahresband.1962
Seite: 40
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den Versuch macht, mit Garzonis Hilfe in den Gegensätzen der Welt sich zurechtzufinden
. Der antimacchiavellische Traktat ist unter Grimmelshausens eigenem
Namen erschienen, ebenso wie die zwei höfischen Romane, die abseits vom Familienkreis
Simplicissimi stehen. „Dietwald und Amelinde" (1670), eine altfränkische
Geschichte, in die Gestalten der deutschen Heldensage hineinspielen, fand ihren
Stoff in einem Meisterlied vom Grafen von Safoi; der Kern des byzantinischen
Romans „Proximus und Lympida"(1672), der in dasselbe Zeitalter fällt, ist einem
Erbauungsbuch „Viridarium regium" des Valentin Leucht entnommen. Die beiden
Liebesgeschichten, die eine bei Grimmelshausen sonst nicht gewohnte Schätzung
der Frau verraten, stehen unter dem erweichenden Einfluß des Romans „Strato-
nica", in dem der Italiener Assarino die Geschichte des kranken Königssohns
behandelte. Im Gegensatz zum Amadisroman wird in ihnen eine entsagende christliche
Ethik vertreten, in der sich die Liebe von der Sinnlichkeit loslöst. Indem
Grimmelshausen seine Karte im Vorzimmer der höfischen Gesellschaft abgab, verließ
er sein eigenes Element; selbst im barocken Thema blieb er aber trotz gewisser
Anpassungen der schlichte Erzähler nach Volksbuch- und Legendenart, der den
antiquarischen Wust und gezierten Schwulst der modischen Geschichtsgedichte beiseite
ließ. Es ist eine merkwürdige Fügung, daß nur in den Werken der Selbstverleugnung
, in denen er seine Eigenart am wenigsten zeigen konnte, er das Visier
öffnete und die Signatur seines Namens zur Schau stellte. Aber gerade weil man
mit Recht in den simplicianischen Masken sein wahres Gesicht suchte, geriet der
Name des höfischen Schriftstellers in Vergessenheit.

Für drei verschiedene Schichten von Leserkreisen ist Grimmelshausens Schaffen
bestimmt. Als Volksschriftsteller hat er seine Kalender und Anekdotenwerke verfertigt
; der Adelsgesellschaft machte er in den höfischen Liebesgeschichten sein
Kompliment; vom „Simplicissimus" und seinem Gefolge aber hat man den Eindruck
, daß er ihn für sich selber schrieb, zu eigenem Behagen als Selbstentdeckung
und Selbstbefreiung. Die Volkserzählung und Kalenderschriftstellerei hat in stetiger
Fortwirkung die längste Lebensdauer gehabt bis zu Hebels „Schatzkästlein"
und den heute noch in jenen Gegenden erscheinenden Volkskalendern von der
Art des „Lahrer hinkenden Boten". Die höfischen Romane haben sich gegen den
anspruchsvolleren pompösen Moderoman nicht durchsetzen können und sind isoliert
geblieben. Die simplicianischen Romane aber errangen schnell einen Riesenerfolg
in allen Leserkreisen. Wir erfahren es aus den Briefen der Herzogin Sophie
von Hannover an ihren Bruder, den Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz, daß
sie sich aus dem sehr fromm beginnenden „Simplicissimus" vorlesen ließ, während
sie Strumpfbänder nach der Mode für ihren Herrn Gemahl anfertigte, und daß
sie auch die Derbheiten der Landstörzerin Courage nicht verschmähte. Wir lesen
es in den Schriften einzelner Vertreter der gelehrten Welt: so spricht der Kieler
Theologie- und Philosophieprofessor Georg Pasch dem Verfasser des Simplicissimus
und der Courage 1707 seine Anerkennung über seine Lebensnähe aus. Wir
sehen es aus den vielen Auflagen und Nachdrucken, daß der große Roman einen
reißenden Absatz fand, und ein vielleicht ebenso sprechendes Zeugnis des Erfolges

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