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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
42. Jahresband.1962
Seite: 199
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und Bier, und diese benahmen sich nun aus Dankbarkeit wie Söhne der Familien.
Die hohe Kraft der neu aufgeregten Vaterlandsliebe bewies sich sogar an den
Kindern. Ich erlaube mir auch hiervon ein Beispiel anzuführen. Ein Knabe von
zehn Jahren hatte sich auf den Gipfel meines höchsten Baumes emporgeschwungen,
um das Gefecht recht deutlich zu sehen. Er war der erste Siegesverkünder, ließ
aber, sich selbst in der Freude vergessend, in diesem Augenblick seine Hände los,
sein Fuß gleitete, und der arme Knabe stürzte von dieser Höhe bis in die unterste
Gabel des Baums, die ihn auffaßte. Als ich ihm einen Vorwurf wegen seiner Unvorsichtigkeit
machte, antwortete er mir ganz ruhig: „Jetzt wäre ich mit Freuden
gestorben, weil unsere Leute gewinnen", und stieg wieder in den Gipfel.

Ich führe den teilnehmenden Leser nun weg von dem vaterländischen Schlachtfeld
und der Siegesbahn auf den durch hundert Platanen nunmehr in einen feierlichen
Hain verwandelten Korker Begräbnisplatz. Hierher begleiteten das hier
liegende gesamte Offizierskorps, die ganze hiesige Dienerschaft, der Ortsvorstand,
Abgeordnete aus der Gemeinde und eine große Anzahl Soldaten und Bürger die
Leichen derjenigen Vaterlandsverteidiger, die nicht wie die übrigen den Abend
vorher auf dem Schlachtfeld begraben worden waren. Die tief eindringende Musik
schwieg, und ich hielt die erste der folgenden Reden. (Für die Heimatgeschichte
sind die Predigten nicht von Bedeutung.)

Leidensgeschichte des Kirchspiels Kork, nebst einem Rückblick
am Trübsalsfest, den 4. Mai 1817

Kork mit seinen nächsten Umgebungen gewährte vor dem Ausbruch des verderblichen
Revolutionskriegs das schöne Bild einer höchst glücklichen Gegend,
bewohnt von wohlhabenden, gesitteten, lebensfrohen, blühenden und kräftigen
Menschen. Die Regierung war, wie in den übrigen benachbarten deutschen Staaten,
mild und väterlich; die Abgaben gering; der Handel in das Innere fessellos und
der sehr einträgliche Verkehr mit dem benachbarten Straßburg nur mit geringen
Zöllen belegt. Bald nach dem Ausbruch der Französischen Revolution wurde der
Rheinstrom mit deutschen Truppen besetzt, die hiesige Gegend von schwäbischen
Kreistruppen, daher jene Zeit in der Volkssprache die Schwabenzeit genannt
wurde. Man pries sie als die glücklichste, weil nicht nur die Vorsehung reiche
Ernten schenkte, sondern auch alle Produkte des Landmanns so gut bezahlt wurden
, daß die Bürger damals mehr große Taler besaßen, als jetzt sie Groschen
zählen. Allein dieses Glück nährte bereits den Keim des Unglücks in seinem Schöße.
Das Volk lernte Genüsse kennen, die ihm bisher fremd waren; Genüsse, welche in
der Folge, bei dem notwendigen Umschlagen der überspannten Preise, nur zum
Verderben der Familien befriedigt werden können; die Sitten wurden durch die
stete Einquartierung von ausgeruhtem Militär verdorben, und wer, trauend dem
Fortbestand der hohen Güter- und Naturalpreise, Schulden machte, um Güter zu
kaufen, unterschrieb mit dem Schuldbrief das Todesurteil über sein Vermögen. Da
galt es, sich zu erinnern an das Wort: Prüfet ihr die Zeit nicht? Die Uhr warnte —
man lebte fort in Sicherheit und im Taumel sinnlicher Genüsse. Der Schlag geschah!

14 Die Ortenau

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