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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
43. Jahresband.1963
Seite: 80
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1963/0092
Kuhbach eingefunden. Der Herr Amtmann aber mit mir, Notarius, und Zeugen
samt ganz neuen, zu dem Vorhaben besonders per expressum gefertigten Stemmeisen
und großen, schweren Schmiedhämmern versehen, desgleichen etliche
Maurermeister mit ihrem nötigen Werkzeug, so auch dahin verordnet gewesen,
und also gesamter Häuf gegen das Brückle vorgerückt.

Hat daselbst oft ermelter Oberamtmann diesen Schmieden und Werkmeistern
alles, was die Lahrer an gedachtem Brückle repariert und gemacht, mit aller
Gewalt zerreißen und die Steine in das Bächle zu werfen, allen Ernstes befohlen.

Indessen er, Herr Amtmann, mit seinen Wildschützen und bewehrten Bürgern
gegen Lahr und bis an den Stein, so mitten in der Lahrer Straß steht, zu Pferd
vorgerückt und observiert, was gedachte Lahrer tun möchten, ich Notarius aber,
mit wenig Zeugen den Arbeitern, so gedachtes Brückle demoliert, zugesehen und
alles, was allda passiert, notiert, welche dann mit ihren Stemmeisen alle Klammern
entzwei und, wo sie mit Blei eingegossen, mit großer Gewalt herausgeschlagen und
mit sich heimgenommen.

Danach man erfahren und befunden, daß sie, Lahrer, auf allen in die Stein
eingegossenen Klammern ihr Stadtwappen eingeschlagen gehabt. Nachdem nun
alles, was davon neu gemacht gewesen, ruiniert und in das Bächle geworfen, ist
man wieder nach Kuhbach und nach dem Schloß Geroldseck zurückgegangen.

Kaum nach Verfließung einer Stund ist dem Herrn Oberamtmann schon Bericht
eingelaufen, daß die Lahrer haufenweis zu Pferd und zu Fuß und bewehrt aus
der Stadt heraus bis in das Dorf Kuhbach gesprengt und sich sehr insolent mit
Schießen und Bedrohen erwiesen. Da sie aber keine Feind vor sich gefunden, sind
ihre Weiber nachkommen, haben ihren hungrigen Männern Vivers (Lebensmittel)
und große Flaschen mit Wein zugebracht, daher es bis dato bei ihnen der
Flaschenkrieg geheißen und Gesänge davon gesungen wurden. Haben sie
bis gegen Abend daselbst gezehrt, danach mit ihren Männern ganz friedlich
wieder abgezogen. Ist also solcher Krieg ohne Blutvergießen abgeloffen."

Soweit der Notarius Rieneck. Wir aber können uns unsere eigenen Gedanken
über den Vorfall machen und wollen ihn etwas unter kulturgeschichtlicher Sicht
betrachten, besonders den Schluß. Zeigt er doch, aus welcher Quelle sich eine Art
volkstümlichen Dichtens speiste, teilweise nämlich aus den Spannungen und Reibungen
, wie sie das Nebeneinander von kleinen und kleinsten staatlichen Gebilden
erzeugte. Hierbei wurde die Kritik hervorgerufen, die Spottlust gereizt; man
beutete die Schwächen und das Lächerliche beim andern aus und suchte es in
Geschichten und Reimereien darzustellen. Es ist bezeichnend, daß bei aller amtlich
ernsthaften Durchführung der Maßnahmen die Komik der Situation beim einfachen
Mann durchaus erkannt und auch genossen wird. So beleuchtet dieser
Vorfall die Gesamtlage der Kleinstaaten, die im Besitz ihrer Landeshoheit gern
nach dem großen Wort, nach der schweren Drohung greifen, es aber wohlweislich
vermeiden, die letzten Konsequenzen solcher Drohungen zu ziehen, in der Erkenntnis
, daß die Folgen unabsehbar wären.

SO


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