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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
43. Jahresband.1963
Seite: 121
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1963/0133
Der Geist auf der Schwaibacher Eck

Zwischen dem Hüttersbacher- und Nordradital, dort, wo sich der Hochkopf
(617 m u.d.M.) gegen den Pfaffenbach hinzieht, liegt fast auf gleicher Höhe
(611 m) der Katzenstein. Nach der geschichtlichen Überlieferung soll vor mehr
als tausend Jahren in diesem Gebiet der alemannische Häuptling Tuesko geherrscht
haben. Gemäß seiner Väter Brauch hatte er Vela, seine Frau, einem benachbarten
Stammesfürsten gewaltsam geraubt, ohne jedoch mit der Zeit deren Zuneigung zu
gewinnen. Vela sann deshalb Tag und Nacht darauf, wie sie sich ihrem aufgezwungenen
Gatten durch die Flucht entziehen könne. Da sie die Unmöglichkeit
eines Entrinnens einsah, weil sie von Tuesko aufs strengste überwacht wurde, griff
sie zu einer List und suchte durch Betörung eines Dieners ihres Mannes, diesen zur
Mithilfe und gemeinsamer Flucht zu gewinnen. Der Diener, durch die Liebenswürdigkeit
Velas geschmeichelt, willigte ein. Ein anderer Diener aber, der das
Vorhaben von Vela belauscht hatte, verriet dies seinem Herrn Tuesko, ohne daß
die Verschworenen eine Ahnung davon hatten. Tuesko aber ließ nichts davon
merken. Eines Morgens teilte er Vela mit, daß er einige Tage abwesend sein werde,
weil er jenseits der Kinzig an einer mehrtägigen Gauversammlung teilnehmen
müsse. Vela glaubte, diese Abwesenheit des verhaßten Mannes zur wohlvorbereiteten
Flucht benützen zu können. Zur nächtlichen Stunde schlug sie deshalb
in Begleitung des wegkundigen Vertrauten den Weg durch das Hüttersbachertal
nach dem Hochkopf ein, um von dort über das Ernsbach- in das Nordrachtal
zu gelangen. Infolge der großen Dunkelheit verloren aber die beiden Flüchtlinge
den richtigen Weg und kamen gegen Morgen an den Katzenstein. Zu ihrem Entsetzen
aber liefen sie dort Tuesko in die Hände. Vor Eifersucht und Wut aller
Besinnung beraubt, drang er auf die Flüchtlinge ein. Mit einem Schwerthieb
streckte er den Diener nieder, während Vela wie ein gehetztes Wild aufs Geradewohl
im Waldesdickicht dem Wüterich zu entfliehen suchte. Wie ein Wahnsinniger
rannte Tuesko hinter ihr her. In seiner Wut ergriff er ein Felsstück und warf
dieses mit Riesenkraft nach dem Weibe. Blutüberströmt und mit zerschmettertem
Haupte sank Vela tot zu Boden.

Nachdem sein Jähzorn verrauscht war und er sah, daß er sein Weib ermordet
hatte, sank Tuesko vernichtet an der Leiche nieder. Der Schmerz und die Reue
ließ ihn allen Groll vergessen.

Immer das blutige Bild der Ermordeten vor Augen, irrte er unstet über die
westwärts liegenden Höhen und Täler. In der einsamen Klause des Waldbruders
Romaldus im Ohlsbacher Tal fand er endlich ganz erschöpft Zuflucht und Trost.

Seit jener Mordtat ist es auf der Schwaibacher Eck und der näheren Umgebung
nicht mehr geheuer. Fußgänger, die von Gengenbach über Schwaibach bei
dunkler Nacht nach Nordradi, oder von Nordrach nach Gengenbach wollten,
haben in den dunkeln Tannenwäldern oft markerschütternde Schreie gehört. Es
kam auch vor, daß Fußgänger durch einen unsichtbaren Geist im Walde irregeführt
wurden und nach mehrstündigem Umherirren ganz woanders hinkamen
als beabsichtigt.



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