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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
43. Jahresband.1963
Seite: 190
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formten Stein. Es ist nicht einer der unzähligen Findlinge und Schrofen, wie man
sie sonst an den Berghängen und Kuppen findet. Er scheint aus der Bergnase
gewachsen wie der Stumpf eines Einhorns. Ursprünglich mag er ein gutes Maß
höher gewesen sein als heute, denn der Humus des Waldes ist um ihn gewachsen
im Wandel einer langen Zeit. Nirgends um ihn her liegt verwandtes Gestein oder
Geröll. Einsamer, schweigender Eremit steht er droben über dem schmucken
Weindorf seit Äonen. Das Leben drunten berührt ihn nicht, und nur das Glockengeläut
orgelt in die Stille dieses Ortes. Seine Flanken fallen beiderseits über den
Hang, gleichsam als säße er wie ein Reiter auf dem Bergsattel. Seine Masse ruht
auf einer niedrigen, aus dem braunen Grund gewachsenen Basis. Und da ist noch
etwas Besonderes an dem steinernen Einsiedler. Mitten durch den klobigen Block
geht eine auffällig gleichmäßige Spalte oder Rinne von etwa zwanzig Zentimetern.
Sie trennt den trapezförmigen Klotz von der Basis bis zum ausgewaschenen,
verwetterten Haupt in zwei gleiche Teile, so daß der Eindruck entsteht, der
Eremit aus Porphyr hätte sich eine zweite Hälfte zugelegt. Nirgendwo an den
glatten Flächen der Spalte findet man natürliche Bruchspuren. Sie sind wie
behauen, wenn auch in den undenklichen Zeitläufen aufgerauht und spröd geworden
. Der rote und der seltenere weiße oder graue Porphyr sind das Urgestein
der Reblandschaft um die Yburg. Am Westhang, am Fuß der Basis, wölbt sich
eine flache Grotte, von Laubwerk und Moder fast zugedeckt. Auch hier hat man
den unvermeidlichen Eindruck, als ob es mit dieser so seltsam aufgetürmten
Formation eine eigene Bewandtnis hätte und als ob es um sie eine eigene
Geschichte geben müßte. In grauer Vorzeit schon stand dieser Stein auf seinem
Platz auf dem abfallenden Grat des Bergrückens und haarscharf auf die Scheitellinie
gesetzt.

Wenig weiß die Überlieferung zu sagen über diesen „heiligen Stein", doch selbst
dieses Wenige ergibt, mühsam erfragt, mit der Geschichte der Landschaft verbunden
und mit ein wenig ordnender Phantasie ein neues Merkmal oder Denkmal in
dieser weingesegneten Gegend an der nördlichen Grenze der Ortenau.

Denn überall im Land am Oberrhein, vornehmlich aber auf den Höhen und in
den Waldschluchten der alten badischen Markgrafschaft, die ich ihres Weines und
anderer Charakteristiken wegen fast das untere Markgräflerland nennen möchte,
sind sie zu finden, diese seltsamen, stummberedten Zeugen aus dem geschichtlichen
Dunkel unserer Vorwelt. Diese Engels- und Teufelskanzeln, die Heidensteine,
Heidenbuckel und Heiligensteine, die gleichwohl den Verstand und das Gemüt
herausfordern. Ein Reichtum an Sagen in immer wechselnder Überlieferung erfüllt
ihren zauberischen Bann. Sie kommen aus einer fernen Vergangenheit in unsere
lärmende Gegenwart. Sie säumen die Wege, wo das pferdestark gewordene Leben
die Stille der Landschaft aufreißt, sie stehen und türmen aus den Waldwipfeln
als steile Schrofen oder verstecken sich in gründämmerigen Bergwinkeln. Auf den
Heidenbuckeln erheben sich die Reste alter Burgen oder sie tragen Kapellen als
Zeichen des Sieges christlichen Gottdenkens. Sie sind jedoch alle unverrückt in
ihrem Charakter über alle Zeitläufe hinweg. Sie sind Mahnmale eines ewig
wechselnden im Kern immer gleichen Lebens, das aus dem Urgrund kommt und

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