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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
43. Jahresband.1963
Seite: 199
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nahmen sie zwar an, doch mit der Bedingung, daß sie in einer Stunde wieder 100 und
den anderen Morgen wieder 100 abholen wollten. — Endlich hat man ihnen die besagten
ersten 200 in zwei Körblein zur Winde hinausgegeben. Als nun diese Unmenschen das
Geld auf dem Abteitisch nachzählen wollten, schickte der unendlich gütige Gott etliche
kaiserliche Soldaten zu unserer Rettung. Diese waren auf dem Berg und hatten die
Franzosen ins Kloster cinreiten sehen. Eilends stiegen sie herab, kamen vor die Abtei
und fingen an, in die Abteizimmer heftig zu feuern. Auf dieses gerieten die Räuber in
unaussprechlichen Schrecken, ließen unser Geld liegen, und unter Anrufung des von ihnen
so sehr verachteten Gottes und seiner heiligsten Mutter und mit demütigem Flehen um
unsere Hülfe sprengten sie endlich die Tür auf der Abtei ein und flüchteten sich in die
Klausur, zwei davon auf den Speicher, einer aber ließ sich an seinen Beinkleidern durch
ein Loch bei der Einsiedlerkapelle herab; von den übrigen wissen wir nicht, wie sie
hinausgekommen.

Unterdessen fuhren die Oesterreicher beständig fort, unser Haus zu beschießen, und
verlangten, wir sollten ihnen die Franzosen ausliefern. Wir glaubten unser Haus verloren,
da alles auf der Abtei voll Feuer und Rauch war. In diesem schreckvollen Zustande ging
S. M. Magdalena durch die Kirche hinaus zu den Oesterreichern auf den Hof und winkte
ihnen, sie möchten doch vom Schießen ablassen. Kaum aber wurde dieses von ihnen wahrgenommen
, so sprengte allsobald einer der Oesterreicher auf sie zu und sprach mit gezücktem
Gewehr: ,Wie, du Canaille, willst du den Patrioten helfen?' — Sie aber hat geantwortet
, daß sie gerad das Gegenteil verlange und sagte ihnen — wie sie damals noch geglaubt
— daß die Franzosen bei der hinteren Tür am Grasgarten entlaufen seien, bot ihnen
auch an, sie möchten sie selbst im Haus suchen. Keiner von ihnen aber kam ins Haus,
sondern allsobald nahmen sie den Franzosen ihre Pferde, welche vor dem Haus gestanden,
und eilten den Franzosen durch den Garten nach. Der Maurermeister Herbst hat hierbei
eine leichte Wunde empfangen. Der Hochw. Herr Victorius Müller und Herr Anton, ein
Bürger von Rastatt, haben unserm Haus zulieb mit ihres Lebens Gefahr inmitten des
Schießens die besagten 200 Louis d'or von der Abtei in Sicherheit gebracht. Der Hofmeister
und alle unsere Handwerksleut waren auch bei uns als getreue Freunde unseres Hauses. —
Gott belohne sie alle! —

Diesen heutigen Tag (5. Juli) ist keine heilige Meß in unserem Gotteshaus gelesen
worden, ist keine Glocke geläutet worden — wie auch noch die zwei folgenden Tage —,
und ist auch heute kein öffentlicher Chor gehalten worden, sondern ist alles im Chor still
gebetet worden, und erst den 6. Juli ist das Hochw. Gut aus dem Lettner von der alten
Kapell wieder in den Tabernakel eingesetzt worden.

Während diesen so schreckbaren und gefahrvollen Umständen ließ Herr P. Beichtvater
uns Klosterfrauen auf dem Chor versammeln, ermahnte uns mit Nachdruck und Eifer,
uns auf jeden Fall sowohl des Lebens als des Todes zu bereiten und uns Gottes Vorsehung
gänzlich zu übergeben, da jede andere Hülfe so gar fern von uns sei. Alle gehorsamten,
und nach einer kleinen Weile kam er wieder und gab uns die Generalabsolution; S. Magdalena
aber und ich beichteten ihm auf der Abtei.

Auch waren wir aufs neue bedacht, uns um eine Salve guarde zu bestreben; aber
niemand getraute sich, nach Baden zu gehen, um eine zu begehren. Endlich sagte S. M.
Magdalena, sie wollte selbst gehen, und hierauf hat sich der Küfermeister entschlossen
und ist mit dem Hofmeister mit Gefahr ihres Lebens hineingegangen und waren so glücklich
, uns allsobald eine Wacht von drei Gemeinen samt einem Lieutenant mitzubringen.

Den 8., 9., 10. Juli hat man unsere Früchte fortgeführt, 800 Säcke. — Den 8. sind
S. M. Scholastika, S. Cäcilia, S. Benedikta, S. Irmengardis, S. Thekla und Bernarda samt
Jungfer Appolonia unter französischer Bedeckung zurückgekommen. Sie waren 9 Tage
abwesend und haben sich in Forbach-Michelbach bei der Magdalena ihren Eltern und in
Gernsbach bei Herrn Obervogt von Lassolay aufgehalten, woselbst sie ungemein viel
Liebe und Höflichkeit empfangen. Herr von Lassolay hat sich auch noch bei andern
Gelegenheiten als ein wahrer Freund gezeigt. Gott vergelte ihnen alles!

14 Die Ortenau

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