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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
43. Jahresband.1963
Seite: 210
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üben, den er jahrzehntelang beim Vater des neuen Herrn, mit dem er eng befreundet
gewesen war, versehen hatte.

So betrachtet, war Widmann am markgräflichen Hof Nachfolger eines in der
Geschichte der Stadt Baden-Baden und ihres Herrscherhauses besonders berühmten
Arztes: des Hans Ulrich, der Scherer zubenannt; er war Leibchirurg des Markgrafen
Karl gewesen, eines streitbaren Herrn, dem Hans Ulrich bedeutsame Feld-
schererdienste geleistet hat. Vermutlich übte dieser ohnehin in jener Zeit keine
sonderliche Praxis am Hofe aus, abgesehen selbstverständlich von der Betreuung
seines Herrn. Denn sein Markgraf hatte ihm und seinen Nachkommen in Anerkennung
treu geleisteter Dienste am 8. Januar 1471 die am Marktplatz gelegenen
Freibäder als Erblehen gegen einen geringen Jahreszins gegeben. Somit wurde
Hans Ulrich Badearzt und Kurdirektor. Er muß schon damals ein reicher Mann
gewesen sein, vielleicht der reichste im ganzen Kurort, und sicher war das Geld
bei ihm flüssiger als sogar bei seinem Herrn, dem Markgrafen Karl, dem zumal der
Krieg mit dem Pfälzer Fritz eine große Schuldenlast hinterlassen hatte. Hans
Ulrich ist nicht nur als bedeutender Chirurg in die Geschichte eingegangen, er war
auch der größte Mäzen der Bäderstadt im Mittelalter: das berühmte Kruzifix des
Niclaus Gerhaert von Leiden auf dem alten Friedhof der Stadt war eine seiner
Stiftungen. Auch muß Hans Ulrich das Kloster Fremersberg mit besonderen
Schenkungen bedacht haben: über dem Toreingang des Klosters befand und befindet
sich noch heute als letzter Rest des einst in jenem Raum bedeutsamen
Klosters das Wappen des Scherers — so nannte man damals die Chirurgen — und
am Weg nach Varnhalt steht heute noch ein an sich unbedeutender Votivstein, der
an seinen Stifter, den Hans Ulrich, erinnert.

Hans Ulrich starb im Jahre 1492; seine Grabplatte ist erhalten geblieben. Das
Datum seiner Geburt kennen wir nicht. Wenn wir aber die greifbaren Daten: die
Schlacht von Seckenheim 1462, das Todesjahr seines Herrn, 1475, und das Todesjahr
Hans Ulrichs miteinander in Beziehung setzen, wenn wir ferner annehmen,
daß sein Auftrag an Niclaus Gerhaert von Leiden, ein Kreuz für den Friedhof bei
der Spitalkirche zu schaffen, in das Jahr 1466 oder 1467 verlegt werden muß (diese
Stiftung könnte möglicherweise Ausdruck einer Todesahnung gewesen sein, auf
jeden Fall nicht die Stiftung eines noch rüstigen Mannes), dann kommen wir zu
einem mutmaßlichen Lebensalter von wohl höchstens sechzig Jahren. Und das ist
immerhin erstaunlich. Denn dann ist Hans Ulrich verhältnismäßig früh aus dem
markgräflichen Dienst ausgeschieden.

Die Vermutung also, daß die Berufung Widmanns mit dem Thronwechsel zusammenhing
oder, was im Grund das gleiche ist, mit dem Wunsch Hans Ulrichs,
nicht mehr länger markgräflicher Leibarzt zu sein, und sich nunmehr ganz seiner
Aufgabe als Bäderinhaber zu widmen, hat überaus viel für sich. Denn das neue
Amt hing mit einer ausgedehnten ärztlichen Praxis zusammen, die sicherlich im
Zusammenhang mit dem Aufblühen des Kurorts stieg: damals war eine Badekur
ohne Schröpfen undenkbar, sie verlangte ärztliche Behandlung. Unter allen diesen
Voraussetzungen erklärt sich manches, was mit der Problematik Johann Widmanns
als markgräflichem Leibarzt zusammenhängt. Vielleicht sogar mit dem schon im

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