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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
43. Jahresband.1963
Seite: 228
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1963/0242
et morbo qui vulgato nomine mal de Franzos apelatur": Eine Abhandlung über
Pusteln und die Krankheit, welche vom Volk das französische Übel genannt
wird. Es war die erste deutsche wissenschaftlich-ärztliche Arbeit über die Syphilis.
Das war im gleichen Jahr, da ihn das alte Tübinger Statutenbuch der medizinischen
Fakultät als Dekan Möchinger erwähnt.

Das Wesentliche ist, daß Johannes Widmann sowohl in Diagnose wie in
Pathologie dieser Krankheit zu Erkenntnissen kam, die heute noch als richtig
anerkannt werden müssen. Als Heilmittel empfahl er Quecksilber: ein Spezifikum,
das bekanntlich jahrhundertelang — bis zur Erfindung des Salvarsan durch
Ehrlich-Hata — gegen Syphilis verordnet wurde. Ob allerdings Widmann unmittelbar
zum Quecksilber kam, steht nicht unbedingt fest; angeblich habe ein
spanischer Arzt, Ruy Diaz de Isla, gleich nach dem Auftreten der Lues das Quecksilber
als Gegengift eingeführt. Sicher ist nur, daß schon sehr bald nach dem
Erscheinen des Werkes von Johannes Widmann Quecksilber gegen Syphilis verordnet
und von den Apothekern in Form von Salbe zu Schmierkuren verwertet
wurde, auch im südlichen Europa.

Es mag sein, daß die Entdeckung des Quecksilbers als Spezifikum gegen die
Lustseuche an verschiedenen Stellen zu etwa gleicher Zeit entdeckt wurde: die
rasche Ausbreitung der Seuche und ihre völlig neue Problematik der Heilung legt
diese Vermutung nahe. Sie ist deshalb wahrscheinlich, weil in der medizinischen
Astrologie „Merkur", das Quecksilber, eine wichtige Rolle spielte: so kam man
hier, wie auch bei anderen Heilmitteln, über das Zugeordnetsein bestimmter
Metalle, Mineralien, Tiere und Pflanzen zu bestimmten Planeten und ihren Konstellationen
auch zu bestimmten pharmakologischen und therapeutischen Schlüssen.
Kein Zweifel, daß bei solchen „Versuchsreihen", ähnlich wie etwa bei der experimentellen
Wissenschaft in den modernen chemischen Industrie-Labors, auch Stoffe
gefunden und dann ausprobiert wurden, die nun wirklich sich als das beste Heilmittel
in diesem oder jenem Fall erwiesen — bei der Syphilis war es das Quecksilber
, das dem Merkur zugeordnet war, der als Widerpart gegen Jupiter und
Saturn auftrat. So schließt sich wohl am einfachsten die Kette. Und so mag es
durchaus nicht falsch gewesen sein, wenn der Verfasser des ersten wissenschaftlichen
Syphilisbüchleins, der Professor Dr. Johannes Widmann in Tübingen, bald
in den Ruf kam, der Entdecker dieses spezifischen Anti-Luesmittels gewesen
zu sein.

Wenn man der Frage nachspürt, warum Widmann in Tübingen sich offenbar
sofort nach der Rückkehr von Worms an die wissenschaftliche Untersuchung der
neuen Krankheit machte, obwohl in Tübingen und in Württemberg die Seuche
nicht allzu stark verbreitet war, so kann man, neben der Aktualität und damit
dem Reiz, einem wissenschaftlichen Problem nachzuforschen, das schon in den
Wormser Colloquien sicherlich eine Rolle gespielt hatte, als besonderen Grund
annehmen, daß hierbei auch die engen Beziehungen, in denen Widmann mit
Straßburg stand, eine wesentliche Rolle spielten.

Das Elsaß, insbesondere Straßburg, haben nämlich den zweifelhaften Ruhm,
zuerst in größerem Umfang Ausbreitungsgebiet der neuen Seuche gewesen zu sein.

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