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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
43. Jahresband.1963
Seite: 229
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Wahrscheinlich haben aus Italien heimgekehrte Landsknechte die Krankheit
eingeschleppt. Das geschah nach Berichten und elsässischen und Straßburgcr
Urkunden schon früh: schon 1495 oder 1496. Auch die erste gedruckte Nachricht
über das Auftreten der Syphilis in Deutschland stammt aus Straßburg: es geschah
in einem Manifest von Sebastian Brant, in einem lateinischen Poem, das 1496
schon in Basel erschien und Johannes Reuchlin gewidmet war: Ad ornatissimum
imperialium legum interpretem Johannem Reuchlin, omnis litteraris tarn Grece
atque Latine quam Hebraice discipline professorem acutissimum de pestilentia
scorra siue malo de Franzos anni XCVI Eulogium S. Brant. Aus dem Text ist zu
entnehmen, daß schon 1495 die Syphilis in Straßburg Opfer gefordert hat.

Bald nach der Veröffentlichung des Poems Sebastian Brants war von dem
Augsburger Kanonikus und späteren Sekretär Kaiser Maximilians, Josef Grünpeck,
eine Abhandlung erschienen: Tractatus de pestilentia scorra sive malo de Franzos,
originem remediaque eius continens. In dieser Schrift sieht der Verfasser die
Ursache der Franzosenkrankheit in der schon erwähnten astrologisch gefährlichen
Saturn-Jupiter-Konstellation.

Es ist auf jeden Fall bedeutsam, daß die ersten Veröffentlichungen aus dem
Straßburger Umkreis stammen, auch Grüi peck geht von Brant aus. Bei den alten
Beziehungen, die Widmann mit den Straßburgern, mit Brant und Wimpheling,
zum mindesten über seinen engeren Freund Peter Schott verbanden, bei den
engen Beziehungen mit dem herzoglichen Rat Reuchlin in Tübingen liegen die
Zusammenhänge klar auf der Hand. Und sollte Widmann nicht auch erfahren
haben von jener feierlichen Prozession, die 1496 in dem nahen Straßburg wider
die neue Seuche stattfand, und von der Predigt, welche der berühmteste Kanzelredner
jener Zeit, Geiler von Kaysersberg, hierbei hielt und in der er in realistischer
Weise von der Syphilis sprach — auch noch in späteren Jahren ein Thema seiner
Predigten, etwa der im Straßburger Münster: „Von den Blattern am heimlichen
Ort"?

So wäre es denn auch durchaus wahrscheinlich, wie Pfeilsticker vermutet, daß
der Syphilis-Traktat Widmanns 1497 in Straßburg herauskam. Aus einem Schreiben
Widmanns an seinen Schüler Johannes Neil, Physikus in Straßburg, datiert
vom 20. Januar 1497, ist zu entnehmen, daß die Handschrift sogar schon 1496
fertig gewesen ist. Eine weitere Ausgabe wird noch genannt, welche mit lateinischen
Lettern, im Unterschied zu dem in gotischen Lettern gesetzten Exemplar, in
Leipzig gedruckt war, wie aus zahlreichen Erwähnungen in der Seuchenliteratur
jener Zeit hervorgeht.

Allerdings ist die Beurteilung der medizinisch-wissenschaftlichen, und praktisch-
therapeutischen Bedeutung des Syphilisbüchleins von Widmann in der Geschichte
der Medizin nicht einheitlich, soweit neueste Literatur hierüber vorliegt. Auch
hier kommt etwa Haller zu wenig anerkennenden Ergebnissen. Aber er tut,
glaube ich, Widmann doch in manchem unrecht. Gewiß, der Möchinger war kein
genialer Mediziner; er war wie so viele Professoren aller Jahrhunderte weitgehend
eben auch ein Kind seiner Zeit, hatte die Anschauungen seiner Zeit und
die Methoden seiner Zeit — und doch schaute er zuweilen über seine Zeit hinaus.

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