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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
44. Jahresband.1964
Seite: 13
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1964/0025
Ich will einen teutschen Helden erwecken, der soll alles mit der Schärfe des
Schwertes vollenden. Er wird alle verruchten Menschen umbringen und die frommen
erhalten und erhöhen. Die ganze Welt wird er reformieren. Mit seinem
Schwert wird er die Welt bezwingen und alle Gottlosen niedermachen. Von jeder
Stadt durch ganz Teutschland wird er zwei von den klügsten und gelehrtesten
Männern zu sich nehmen, aus denselben ein Parlament machen, die Städte miteinander
auf ewig vereinigen, die Leibeigenschaften samt allen Steuern aufheben
und solche Anstalten machen, daß man von keiner einzigen Beschwerung beim
Volk mehr wissen, sondern viel seliger als in den Elysischen Feldern leben wird.
Jupiter wird den Berg der Musen nach Teutschland verpflanzen und den Teutschen
schließlich die Beherrschung der ganzen Welt zukommen lassen. Der teutsche Held
wird das römische Kaisertum wiederaufrichten. Die übrigen Könige werden ihre
Kronen aus freien Stücken von ihm zu Lehen empfangen, und es wird alsdann
ein ewiger, beständiger Friede und eine Einigung im Glauben zwischen allen
Völkern der Welt sein.

Dies alles wird dichterisch breit ausgemalt und wirkt besonders durch den beruhigenden
, lichtvollen Gegensatz zur schrecklichen Gegenwart des Dreißigjährigen
Krieges.

Damit hat sich die Forschung bisher zufriedengegeben. Allein gerade diese
Prophetie hat es in sich. Sie ist keine Einzelerscheinung, noch viel weniger die Ausgeburt
einer überspannten Phantasie des Dichters, als welche es im Simplizissimus
erscheinen könnte. Alle erreichbaren Prophetien von alten Zeiten an bis zur Gegenwart
habe ich gesammelt. Als überraschendes und völlig unerwartetes Ergebnis
fand sich, daß sie alle eine fortlaufende Kette ergeben. Es ist eine mündlich
eifrig weitergeflüsterte Ketten-Prophetie, die aus den Urtiefen menschlicher Süchte
und Sehnsüchte gespeist wurde und alle Menschen orakelhaft wuchtig und überwältigend
angesprochen hat.

Die Anfänge weisen zurück in das mythische Dunkel des Orients, in die Zeit,
in der die Sibyllen ihre schulartigen Kreise bildeten und sich dabei auch mit
magischen Künsten befaßten. Bis in späte Zeiten hinein wird diese große Weissagung
nämlich der erythräischen Sibylle zugeschrieben. Hier ist wohl nicht das
alte Erythräa gemeint, das Land an den Ufern des Erythräischen Meeres zwischen
Arabien, Persien und Indien, sondern die Stadt Erythrä an der jonisch-kleinasiatischen
Küste, wo man im 1. Jahrhundert vor Christus etwa 1000 Verse
sibyllinischer Weissagungen gefunden hatte, die von da aus ihren Weg durch das
ganze Römische Reich machten. Die angenommene erythräische Sibylle als Urheberin
der großen Sagung sollte dieser eine überwältigende Autorität mit unantastbarem
Wahrheitsanspruch verleihen, obgleich niemand, früher so wenig wie
heute, über diese Sibylle etwas zu sagen wußte.

Auch unter den Juden zur Zeit Christi war sie lebendig, bei diesen seltsam
vermischt mit dem Erlösungsgedanken der jüdischen Theologie. Viele Juden
wußten offenbar nicht, welchem der beiden Gedankenkreise sie folgen sollten.
Daher entstand bei vielen eine kuriose Vermengung aus beiden. Die Spuren davon

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