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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
44. Jahresband.1964
Seite: 110
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er. Als Nachfolger konnte nur Franz Leopold Witsch, Rienekers Schwiegersohn
, in Frage kommen. Er sollte Offenburgs letzter Reichsschultheiß sein. Bei
seiner Einführung entfaltete sich nochmals der verlöschende Glanz der fragwürdig
gewordenen Reichsstadtherrlichkeit. Oberamtsrat v. Gulat-Wellenburg
vertrat wiederum den Pfandherrn. Er wurde bei seiner Ankunft „durch Pauken
und Trompeten" begrüßt. Die äußere Organisation der Feier, die am 23. Februar
1801 stattfand, war dem Stettmeister L i h 1 übertragen. Um 8 Uhr wurde in der
Pfarrkirche Hl. Kreuz ein feierlicher Gottesdienst gehalten, zu dem alle Zünfte
in schwarzen Mänteln erschienen. Anschließend hatte ein Wachtmeister dieselben
„in Ordnung zu stellen". Von der Wohnung des Schultheißen bis zum Rathaus
mußten sie ein Spalier bilden, das von der Zunft der adeligen Gesellschaft, den
sogenannten Cohonestablen, „ohne Mäntel" beschlossen wurde. Um 10 Uhr holten
die Stettmeister Lihl und Billet, gefolgt von dem Ratsboten, den Schultheißen in
dessen Haus ab und geleiteten ihn durch das Spalier zum Rathaus, wo er von
dem Magistrat in schwarzen Mänteln und von dem Kanzleiverwalter von Laaba
und dem Stadtschreiber Anich im Degen empfangen wurde. Der feierlichen
Handlung im Königshof wohnten der Reichsprälat des Klosters Gengenbach sowie
die Reichsschultheißen von Gengenbach und Zell a. H. bei. Das Festmahl fand
wieder statt, und der Schultheiß erfreute die Bürgerschaft mit einer „Ergötzlichkeit
".

Die geschilderte Entwicklung hinterläßt den Eindruck, daß das Stadtwesen
verknöchert war. Bewußt oder unbewußt hielt man in zäher Weise an alten,
überlebten Formen fest. Das aristokratische Regiment, das bisweilen sogar monarchische
Formen annahm, konnte keinen echten Bürgersinn und Gemeingeist
wecken. Und die Stellung des Reichsschultheißen litt unter einem unlöslichen
Zwiespalt. Einerseits durfte sich die Reichsstadt auf Kaiser und Reich berufen.
Andererseits war die Kaiserkrone ein Zubehör des österreichischen Erzhauses
geworden, so daß sich der Reichsschultheiß vom Träger der Kaiserkrone bedroht
fühlen mußte. Unter diesen Umständen hatte die reichsunmittelbare Stellung
keinen Sinn mehr.

Die Reichsdeputation in Regensburg 1803 brachte das Ende der Reichsfreiheit
und die Einverleibung Offenburgs in den badischen Staat, der zunächst zum
Kurfürstentum und 1806 zum Großherzogtum erhoben wurde. Am 15. Juni 1803
tagte der Magistrat der Reichsstadt zum letzten Male, und am 1. Juli 1803 trat
der Rat der kurbadischen Stadt Offenburg zum erstenmal zusammen. Franz Leopold
Witsch war es vergönnt, noch 24 Jahre die Pension eines großherzoglich
badischen Hofrats zu genießen. 1827 starb er im Alter von fast 80 Jahren. Die
Witschstraße im nördlichen Stadtteil hält die Erinnerung an Offenburgs letzten
Reichsschultheißen wach.

Quellen: Stadtarchiv der Stadt Offenburg: Ratsprotokolle. Akten des Generallandesarchivs
Karlsruhe: Gemeindedienste. Fasz. 100—103, 105: Besetzung des Reichs-
schultheißenamts in Offenburg, 1645—1656, 1691—1756, 1715—1737, 1737—1756,
1756—1803.

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