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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
46. Jahresband.1966
Seite: 152
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und 54 Cat. und 1645 noch 279 Comm. und 102 Cat. (Communicantes waren die
erwachsenen Personen, die zum Abendmahl gingen, Catechumeni waren die Schuljugend
und die Kleinkinder). Der Vergleich dieser Zahlen wirkt erschütternd.
Die Folge des großen Sterbens hatte eine gefährliche Schwächung des Volkskörpers
im Gefolge. Viele Häuser standen leer, auf manchen Höfen waren nur
noch wenige Leute, die den Anforderungen, welche die Bewirtschaftung der Güter
stellte, nicht mehr gewachsen waren.

Der Pfarrer beschwerte sich darüber, daß man ihm 1638 sein bestes Stück
Ackerland vom „Pfarr Widumgut" an der Landstraße hinter der Kirche zur
Erweiterung des Friedhofes weggenommen habe. Er verlangte dafür von der
Gemeinde ein anderes Stück Feld. Der alte Friedhof war in den Pestjahren zu
klein geworden, starben doch 1635 insgesamt 213 Personen, das war fast ein
Viertel der Bevölkerung. Im September dieses Jahres waren es 34 Tote, im Oktober
gar 56 Tote, meist junge Leute.

Der Friedhof war völlig verwahrlost, er war mehr „zue einer gemeint All-
mandt" geworden, auf der die Ziegen weideten, als eine würdige und geweihte
Grabstätte für die Toten. Das lag vor allem an der Gleichgültigkeit des Totengräbers
, des Becken Stoffel, der die Gräber unordentlich und oberflächlich anlegte.
Man verlangte auf dem Jahrgericht (1640) von ihm, daß er in Zukunft bessere
Ordnung halte „vnnd die Gräber recht Tüef genug graben solle, damit die Hundt
die Todten nit ausgraben, wie schon geschehen".

Der Becken Stoffel muß ein roher Geselle gewesen sein. Arme Leute, solche, die
an den Straßen oder auf den Höfen gestorben waren, brachte er oft gar nicht
erst auf den Friedhof, sondern begrub sie irgendwo draußen, einfach, wie man
ein Stück Vieh verlocht. So hatte er kürzlich „Ein allt Bettelweib, vorm Hohstein
gestorben, bloß für die Thüren begraben", hatte dafür aber den vollen Lohn genommen
. Wie sollte das Ruggericht hier eingreifen, wie sollte man den verrohten
Totengräber bestrafen? Es blieb bei Ermahnungen, da man froh sein mußte, daß
sich überhaupt noch jemand für diese Arbeit hergab.

Das Bauwesen

Viele Gebäude, auch öffentliche, waren dem Zerfall nahe oder waren schon
eingestürzt. Die Altstadt war im Jahre 1590 völlig eingeäschert worden. Sie
wurde nach den Richtlinien der württembergischen Baumeister Georg Beer und
Heinrich Schickhardt wieder aufgebaut. Als letzterer anläßlich einer Inspektion
nach Schiltach kam, rühmte er die schöne und solide Neugestaltung der Stadt und
ihrer Häuser. Und jetzt nach 50 Jahren dieser Zerfall!

„Der Stadt gebäu kommen gantz in Abgang." Die vor dem Unteren Tor liegende
„Metzig sey sehr bawfällig vnd Ein hohe Notthurft, daß man selbige
Bawen thue". Ist es da verwunderlich, wenn die Metzger immer wieder draußen
bei den Bauern das Vieh schlachteten und dann heimlich in Körben und Säcken
das Fleisch in die Stadt schafften. Der Stadtsäckel wurde so um die Schlachthausgebühren
geprellt; anderseits tat die Stadtverwaltung für eine anständige Einrichtung
der Metzig auch nichts.

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