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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1967/0212
feste auch von den Nachbardörfern aus besucht wurden, legte man die Kirchweihen
tunlichst auf einen Tag.

Sankt Nikolaus und Weihnachten

Den Nikolaustag feierten die Neusatzer Walchen nicht. In Bühlertal dagegen
erwarteten die Kinder am Abend dieses Tages den Knecht Ruprecht. Er ist
über St. Blasien auf der Linie Konstanz—Villingen—Gutach bis ins badische
Unterland gewandert. In Bühlertal trat er als „Pelz-Märte" (Pelz-Martin) auf.
In anderen Gemeinden ist der Nikolaus mit dem Christkindlein in eine Person
verschmolzen. In Neusatz kannte man das Christkindlein nicht von Angesicht,
es wirkte in Heimlichkeit wie auch vielfach der Nikolaus sich nicht sehen ließ.
Schon die Beschaffung des Christbaums war schwer, denn er durfte nichts kosten;
so mußte er im Wald „geholt" werden. Weil man die Tännlein nur in aller Heimlichkeit
heimschaffen konnte, nahm man kleinstes Format.

Waren die Kinder am Heiligen Abend zu Bett gebracht, so hängte der Hausvater
das Christbäumlein mit dem Gipfel nach unten an die Stubendecke und
steckte einige Kerzenstümplein an die unteren Zweige, damit nicht die Stubendecke
angerußt würde. Kamen die Kinder am Morgen des Weihnachtstags aus der
Christmette, so hatte das Christkindlein — wieder in Heimlichkeit — die Lichtlein
am Christbäumlein schon angezündet und die Gaben auf dem Tisch zurechtgelegt.
Sie fielen stets recht bescheiden aus; eines der Kinder hat notwendig ein warmes
Halstuch gebraucht, ein anderes ein Paar Schuhe (mit Holzsohlen), ein anderes
hat warme Hausschuhe vonnöten (sie waren von der Mutter „selbend" geflochten).
Für den Vater oder für die Mutter hatte das Christkindlein nur selten etwas
bringen können, höchstens einmal für den Vater ein Päcklein Tabak als Nasenwärmer
bei der Holzarbeit im Wald. Mitten auf dem Tisch aber prangte als
Hauptstück der von allen, groß und klein, bejubelte mächtig große Hurzel-
1 a i b. Er wurde gleich bei der Morgensuppe angeschnitten und verlor nochmals
bedeutend an Gewicht beim Nachmittagskaffee, obwohl dieser nur mit Zichorie
angebrüht war. Die „Hurzeln" waren gedörrte Birnenschnitze vom Pfaffenbire-
baum. Sie wurden in Wasser aufgeweicht und dann dem Teig aus schwärzestem
Roggenmehl beigeknetet. Dieser Hurzellaib fehlte auch in der ärmsten Familie
nicht. Wer keinen eigenen Backofen hatte, holte den Laib beim Becken. Tadelnd
sei bemerkt, daß die großstädtischen Becken die Urform der „Hurzellaibe" verkleinert
und ihnen als „Verfeinerungsmittel" Feigen und Datteln beigemischt haben.

Das beste Hurzelbrot backte — nach meiner unmaßgeblichen Meinung — der
Bäuerlesbeck in W a 1 d m a 11. Der Gang war insofern besonders lohnend für
mich, als der Bäuerle mir einen außerordentlich großen „Anschnitt" mit auf den
Weg gab: „So, Fritz, der g'hört di (dein). Loß der'n guet schmecke unterwegs!"
Der Laube-Naze-Beck machte mit seinen Hurzellaiben und mit seinen künstlerisch
vollendet geformten Nikolausen ein großartiges Geschäft: auf einen Leiterwagen
packte er ein ganzes Fuder, vier Ochsen zogen den schweren Wagen zum „Christ-
kindelsmärkt" nach Bühl, wo die Leute sich förmlich darum rissen.

Die Hurzellaibe waren berühmt im ganzen Amtsbezirk und hatten den Neu-

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