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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1967/0237
einen, dem Weinbrennerschen Theater auf der nordwestlichen Seite; zwischen
beiden lagen die Verbindungsräume teils für das Spiel, teils zu Geschäften fürs
gebildete Publikum bestimmt.

Die Geschichte des Großen Saales im 19. Jahrhundert aber sollte erweisen, daß
er noch weit mehr war als nur kurörtliche Repräsentation. Zunächst hatte man
ihn als Spielsaal und Tanzsaal geplant. Und dies war er denn auch, soweit es das
Roulette angeht; denn hier, und nur hier, hieß es „Faites votre jeu!" (= Machen
Sie Ihr Spiel!) bis 1872, bis zur Aufhebung der deutschen Spielbanken durch
Reichsgesetz. Die, wie so oft behauptet, prächtigen Säle des Edouard Benazet von
1858 — oder, wenn man stilistisch will, der französischen Könige Louis XII.,
XIII., XIV., XV. samt Madame Pompadour — waren nie Spielsäle: sie dienten
großen Festlichkeiten und dem Tanz; noch vor 1914 war es üblich, daß der
wöchentliche Bai pare der Hochsaison nur dort stattfand. Spielsaal war von
Anfang an bis zum Ende der prunkvollen Franzosenzeit der alte, heutige Weinbrennersaal
.

Aber er war noch mehr. Man könnte, will man es auf amerikanisch-deutsch
sagen, eine Art „all-round-Saal", will man gar auf ganz modern gebildet sprechen,
könnte man behaupten: er war ein pluralistischer Saal. Denn er diente vielerlei
Zwecken, vom ganz großen Musikfest bis zum Tribünensaal für die karnevalisti-
schen Preisrichter bei dem einst so berühmten „Großen Baden-Badener Maskenball
" vor 1933, bis dann auch in der Kurstadt jegliche Heiterkeit verlorenging . . .

Nun, das Wesentliche, und davon muß hier eingehend gesprochen werden, war
seine Bedeutung als Konzertsaal. Nicht etwa nur für die sogenannten Kurkonzerte
, wenn es regnete oder schlecht Wetter war; nein, hier geht es um die großen
festlichen Konzerte, über welche die Weltpresse berichtete. Sie machten ihn, das
Kurhaus, den Kurort, Baden-Baden in der ganzen Welt berühmt; in manchen
Zeiten gar bekannter als die Thermen.

Kaum hatte Weinbrenner sein großes architektonisches Werk vollendet, kaum
hatte man entdeckt, daß dieser Saal eine wundervolle Akustik hatte — noch
sprach man nicht von Phon und hatte keine akustischen Meßgeräte und kannte
erst recht nicht die technischen Klangkniffe in den Studios der modernen Funkhäuser
—-, da wußten schon die großen Musiker Europas, wie schön man hier
musizieren konnte. Das fing an mit Paganini und seinem fast ebenso berühmten
Pianisten Jaques Rosenhayn oder mit Mendelssohn — Monsieur Chabert, der
erste Spielpächter und zugleich Pariser Restaurateur des Konversationshauses,
hatte sie nach Baden-Baden geholt.

Bald kam die Elite der europäischen Virtuosen: Wilhelm Ernst, Charles de
Beriot, der Gatte der berühmten Marie Malibran, Henri Vieuxtemps, Ole Bull,
Rudolf Kreutzer, sie alle musizierten in diesem Saal. Boildieu und Meyerbeer
kamen; Alexander Piccini und sein Nachfolger Miroslaw Koennemann dirigierten
auch bei den festlichen Konzerten das Kurorchester, verstärkt durch Musiker von
den Hoftheatern in Karlsruhe, Mannheim und Stuttgart.

Man müßte viele Seiten schreiben, wollte man schildern, was alles in diesem

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