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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1967/0246
Hochplateau des Batten eine viele Hektar große Fliehburg errichteten. Dieser
Zeitgenosse Alexanders des Großen und sein Gnadenwunsch an diesen größten
Feldherrn seiner Zeit, „Geh' mir aus der Sonne", hat ihn in Geschichte und Sage
unsterblicher gemacht als seine Philosophie. An diesen Diogenes werden die Steinmetzen
des Barocks wohl gedacht haben und an den deftigen Spott, mit dem ihn
die Zeitgenossen schon in klassischem, heiterem, griechischem Humor überschütteten
. Zu Lebzeiten hat er sich übrigens auch zeitweise aus seiner Tonne, die wir
uns als ein großes Tongefäß mit weiter Öffnung vorstellen müssen, wahrscheinlich
ein altes Weingefäß von mindestens 600 Litern Inhalt, entfernt und auf Menschensuche
begeben. Dieses unbequeme Wohngefäß des Weisen, das ihm sicherlich gut
zu Gesicht stand, soll sogar mit Bleiklammern geflickt gewesen sein. (Gebundene
Holzfässer kannten die Griechen damals noch nicht.)

Aber irgendwie müssen die Steinmetzen einer Sinnestäuschung verfallen sein,
oder sie taten aus Spaß, Witz oder Scherz etwas, was durch die Jahrhunderte bei
Künstlern gar nicht so selten blieb. Sie hängten der Katz' die Schell' um. Sie
trauten wirklich dem alten Mann auf seinem Steinsockel einen Balanceakt voller
Gewissenskonflikte zu, eine euphorische Gegenwart in einem ihm unliebsamen
Arkadien.

Es steht allerdings nirgendwo etwas darüber aufgeschrieben, ob die Steinmetzen
den guten alten Narren wirklich um seine Mitte berauben wollten. Aber schließlich
hat auch er sich eines besseren besonnen, hat den stichelnden Steinmetzen eine
Nase gedreht. Er, der den Witzelnden mit seinem Blick transparente Köpfe aufsetzte
, wäre vielleicht schon längst von seinem Postament herabgestiegen, gefiele
es ihm nicht dort oben. Im Laufe von Jahrhunderten hat er es gelernt, sich und
den ihm zugewiesenen Standort ernstzunehmen, zuweilen mit einem amourösen
Lächeln. Wer wollte es ihm übelnehmen? So weit, so gut.

Aber was war geschehen? Hätten die Steinmetzen nicht ein so heiteres und gemütvolles
Arrangement geschaffen, wäre es wohl müßig, darüber Worte zu verlieren.
Man hörte viel französisch diesseits des Rheins in jener Zeit, und der Einfluß
französischer Amouretten war allenthalben recht groß.

Um alles zu begreifen, muß man hinter den Diogenes treten. Man muß einen
gedachten Rahmen in das Blickfeld legen, dazu das Standbild des Diogenes in den
Vordergrund nehmen und diesen Rahmen so lange verkleinern, bis nur drei Figuren
in ihm Platz finden, die eine hübsche, ja, eine hinreißend wirklichkeitsnahe
Perspektive bilden. Da entdecken wir plötzlich das Spiel der übermütigen Meißelkünstler
, das sie sich mit dem weltfremden Alten herausgenommen haben. Sie
machten aus dem eifernden einen vergnügten Diogenes, einen Abenteurer, einen
Abweichler von seiner Lehre. Eine lyrische Passage springt von Figur zu Figur,
ausgehend von einem ganz anderen Diogenes, einem entblößten Diogenes, dem sie
eigentlich den Popanz zugedacht haben. Sanfte Blicke sind auf ihn gerichtet, zart
und schmerzlich. Fast mit den Händen greifbar, und doch in harter Grenzziehung,
fern aller heiteren Schäferspiele, einer Commedia dell'arte ähnlich, haben dem
Daseinsunfreudigen jene Spaßvögel zwei bezwingend schöne weibliche Wesen

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