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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
48. Jahresband.1968
Seite: 291
(PDF, 62 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1968/0293
aufnehmen würde". So möge der Gemeinderat doch ehestens mit dem neuen Meister einen
Lehrvertrag schließen. „Der güthige Gemeinderath wird ihn schon kennen. Er hat
manchen Bursch zu etwas tüchtigem gemacht und ich denk, daß ich auch gut ausfalle."

Wer brächte es übers Herz, diese Bitte eines vom Unglück Verfolgten zu überhören oder
sogar abzulehnen, da er doch so treuherzig bemüht war, „daß er auch gut ausfalle"?

Das Urteil, das Bürgermeister Gaus über Gustav G. fällte, widersprach in jedem Satz
dieser guten Meinung. Da las man, „Gustav G. ist ein leichtsinniger, am Rand des Verderbens
stehender Bursche". Er habe schon den dritten Lehrmeister. Als er von den
beiden ersten davongejagt worden war, habe man ihn nach Gernsbach in die Lehre gegeben
, „Damit ihm nicht die Gelegenheit geboten ist, jede Woche in den Gemeinderaths-
Sitzungen zu erscheinen und das Kollegium mit allen möglichen Beschwerden zu belästigen
, die er sämtlich aus der Luft griff".

Doch statt in Gernsbach zu arbeiten, trieb sich der hoffnungsreiche Jüngling in den
Kuranlagen umher. Das Bezirksamt wurde daher gebeten, den Säumigen zwangsweise zu
seinem Meister bringen zu lassen. Es sei höchste Zeit „daß der seit Jahren in dieser
Menschenklasse eingewurzelte Keim des Leichtsinns und der Hang zum Müßiggang erstickt
werde".

Am 16. Juli 1860 meldete das Bezirksamt, daß man den Gustav G. „mit Laufpaß nach
Gernsbach zugeschickt habe, um dort in die Lehre zu treten".

Einige Zeit fiel er nunmehr nicht auf. Doch am 14. Januar 1862 jagte ihn auch der
Gernsbacher Lehrherr aus der Werkstatt. Die Lehrzeit war zwar noch nicht beendet,
„allein wegen Unverträglichkeit des Lehrlings hat Großherzogliches Bezirksamt Gernsbach
verfügt, daß ihm alsbald das Gesellenstück aufgegeben werde".

Mit anderen Worten, weil die Behörde nicht fähig war, einen widerspenstigen Lehrjungen
an die Kandare zu nehmen und ihm die Marschroute aufzuzwingen, machte sie
ihn kurzerhand zum Gesellen. Dabei rechnete sie im Hintergrund damit, er werde alsdann
aus ihrem Verwaltungsbereich abwandern. Die Kosten für das Freisprechen bezahlte
die Stadtkasse Baden-Baden, denn der angehende Geselle hatte keine Ersparnisse: „Der
Gemeinderat Baden möge die vier Gulden gefälligst an die Stadtkasse Gernsbach anweisen
." Damit schlössen vorläufig die Zunftakten über den Schuhmacherlehrling Gustav G.

Acht Monate später kam noch ein kurzer, aber bezeichnender Nachtrag dazu. Das
Bezirksamt Gernsbach bestätigte, „daß Gustav G. wegen Bedrohung seines Meisters seine
Strafe am 3. August angetreten und am 11. d. Mts. erstanden hat".

Der fernere Lebenslauf dieses vielversprechenden Jünglings dürfte wohl in den Strafakten
verschiedener Behörden stecken.

III. Zunft wehrt dem Aufstieg junger Meister

Aufzeichnungen der Baden-Badener Metzgerzunft

Handel mit Zunftvorrechten

Aufdringlicher als manche anderen Zunftaufzeichnungen demonstrieren die
Dokumente der Baden-Badener Metzgerzunft, wie weltfremd und rechtswidrig
Zunftsatzungen allmählich geworden waren, aber auch wie stur die Zunftgenossen
darauf beharrten, weil sie ihnen zum Vorteil dienten. So war um 1800
die Anzahl der Metzgereien, der „Metzelbänke", für das Stadtgebiet noch unabänderlich
festgesetzt und sollte nach dem Willen der Zunftmitglieder nicht
erhöht werden, wenngleich die Einwohnerzahl von Jahr zu Jahr beträchtlich stieg.
Noch immer konnte ein junger Meister nur dadurch zu einem eigenen Geschäft
kommen, daß er es erbte, anheiratete oder für teueres Geld kaufte. Damit sicherten

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