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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
49. Jahresband.1969
Seite: 58
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kehrs. Um die Transporte zu behindern, wurden der Rheintalstrecke entlang an
verschiedenen Stellen Schienen aus den Geleisen gerissen. An dieser Aktion beteiligten
sich auch mehrere Friesenheimer. Nach einer Besprechung im „Salmen"
machten sie sich in der Nacht vom 23. auf den 24. September, mit Stockhauen
bewaffnet, auf den Weg, um unterhalb des Bahnhofs Schienen von den Schwellen
zu brechen. Sie wurden aber bei ihrem Unternehmen von dem Bahnhofspersonal
gestört und konnten nur eine einzige Schiene losbrechen, die sie dann ins Feld
hinauswarfen. Unter der Rubrik „Verbrechen, Ausreißen von Schienen durch
Joseph Röderer, Lucas Saal, Christian Engel und Consorten" sind die Namen der
Beteiligten in den Gerichtsakten festgehalten. Über Friesenheim, auch Lahr und
die umliegenden Orte wurde damals der Kriegszustand verhängt, doch kam es
nicht zu einer militärischen Besetzung.

Bekanntlich endete die Bewegung mit einer vollständigen Niederlage der Aufständischen
, die im Frühjahr 1849 in mehreren Treffen (Waghäusel, Weinheim,
Ladenburg) von herbeigerufenen preußischen Truppen geschlagen wurden. Es
folgte die Tragödie von Rastatt (22. Juli) und die Flucht der Geschlagenen land-
aufwärts. In oft absonderlichen Verstecken versuchten sie ihren Verfolgern zu
entgehen. Einem Teil von ihnen gelang die Flucht ins Ausland. Die bittere Zeit
der Strafgerichte beschloß dieses Kapitel unserer Geschichte.

Die Bewohner von Friesenheim mußten, einem alten Bericht zufolge, dabei
einigermaßen glimpflich davongekommen sein. Als nämlich die Preußen auf das
Rathaus kamen und nach Freischärlern fragten, soll ihnen der damalige Bürgermeister
Kromer gesagt haben: „Zwei oder drei rabiate Personen waren da. Diese
sind aber verschwunden, nachdem ich sie für eine Auslieferung vorgesehen hatte.
Es herrscht also die größte Ruhe im Dorf."

Der Verfasser kann hier aus der eigenen Familienchronik den Bericht von einem
Vorfall beisteuern, von dem ihm seine Mutter immer wieder erzählte. Ihr Vater,
unser Großvater also, war ein friedlicher Mann, der in späteren Jahren auch etwas
kränkelte. Sein Bruder aber war „heckerisch" und ein begeisterter Anhänger der
Aufständischen. Als es dann zur Niederlage und zur allgemeinen Flucht gekommen
war, stürzt spät abends der Bruder in die Stube und ruft dem Großvater, der
bereits im Bett lag, zu: „Bastian, steh uff, d'Breissä kummä!" Der Großvater
dreht sich im Bett um und entgegnet murrend: „Loß mi schloofä!" „Schloof, wann
dood bisch!" schreit ihm der Bruder entgegen, rennt aus der Stube und nach dem
Stall hinüber, zerrt den Gaul heraus, schirrt ihn in aller Eile und reitet davon,
in die Nacht hinaus, Straßburg zu.

36. Vom Verhältnis der Bewohner zu Volk, Staat und Welt

Bis ins 19. Jahrhundert hinein blieben, wie auch anderwärts, die politischen Vorstellungen
unserer Ortsbewohner im kleinstaatlichen Denken befangen. Man lebte in einer
engen Welt mit engem Gesichtskreis. Die Beziehung zu den Nachbarorten war teils freundlich
— gutmütiger Art —, man hatte Verwandte dort zu besuchen, gelegentlich auch Geschäfte
zu erledigen und kannte zum mindesten die dortigen Wirtshäuser — teils waren
sie mit traditionellen Spannungen beladen, so das Verhältnis zu dem benachbarten Schut-

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