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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
49. Jahresband.1969
Seite: 99
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1969/0101
Ein großer Trost war die Tatsache, daß wenigstens der Judenfriedhof nicht
geschändet worden ist. Wegen der Synagoge entspann sich ein Streit zwischen der
Kreisleitung und der Stadtverwaltung bzw. dem Stadtrat. Das Gebäude war in
gutem baulichen Zustand. Die Stadt war gewillt, es zu erwerben, um es als Gerätehaus
der Feuerwehr zur Verfügung zu stellen. Sie war auch der Meinung, daß in
den Räumen Veranstaltungen der Hitlerjugend stattfinden könnten. Die Kreisleitung
aber vertrat den Standpunkt, daß darin auf keinen Fall „deutsche Menschen
sich körperlich ertüchtigen" könnten, und forderte den Abbruch des Hauses.
Die Kosten sollte die jüdische Gemeinde tragen. Die Ratsherren der NS-Fraktion
schlössen sich dieser Meinung an. Am 1. Juli 1940 verkaufte die jüdische Kultusgemeinde
das Anwesen an die Stadt, die es an die Möbelhalle Schafheitle verpachtete
. Am 2. November 1948 erfolgte die Rückgabe an die israelitische Landesgemeinde
. Letztere verkaufte es an die Drogen- und Arzneimittel-Großhandlung
Heffner KG. Das äußere Bild des Gebäudes erinnert in keiner Weise mehr an
eine Synagoge.

Die „Endlösung" in Offenburg

Die Aktion „Kristallnacht" war mit brutaler Gewalt in das Leben der Juden
eingebrochen. Deren Zahl betrug zu Beginn des Jahres noch 98. Ihre Vernichtung
war das Ziel der folgenden Verordnungen. Zunächst wurden sie aus dem Wirtschaftsleben
vollends ausgeschaltet. Die jüdischen Gewerbebetriebe mußten angemeldet
werden. Am 9. März 1939 wurde den jüdischen Geschäftsleuten der Verkauf
auf Jahrmärkten verboten. Vier Wochen vorher war durch die Verordnung
über die Anmeldung des gesamten jüdischen Vermögens die „Zwangsentjudung"
der 39 Häuser, 3 Bauplätze und 5 land- und fortwirtschaftlich genutzten Grundstücke
eingeleitet worden, die noch in jüdischem Besitz waren. Das Gesetz über
die Mietverhältnisse der Juden vom 30. April 1939 sollte sie aus den Wohnungen
verdrängen. Das Schlimmste ahnend, veräußerten etliche ihre Häuser, und 24 verließen
die Stadt. Auch die Versorgung der jüdischen Haushalte mit den notwendigsten
Lebensmitteln wurde immer mehr erschwert. Die den Juden ausgehändigten
Lebensmittelkarten waren durch den Buchstaben „J" gekennzeichnet. Und am
12. September 1940 wurde im Gemeinderat beanstandet, daß die Juden auf dem
Wochenmarkt „sehr viel einkaufen und dort immer die ersten" seien. Der Ratsvorsitzende
wandte jedoch ein, daß ein Einkaufsverbot für Juden nicht erlassen
sei und wohl auch nicht erlassen werden könne. Auf die Frage, wie man sich verhalten
solle, ordnete das Landratsamt an, daß die Juden sich erst eine halbe Stunde
nach Marktbeginn dort einfinden dürften.

Die Deportation am 22. Oktober 1940 kann man als die Offenburger Endlösung
der Judenfrage bezeichnen. 91 Juden wurden zusammengetrieben und mit 35 Leidensgenossen
aus dem Kreisgebiet in einen Zug verladen, der von Mannheim kam
und badische und pfälzische Juden nach Gurs in Südfrankreich transportierte.
Jeder durfte 100 Mark in bar mitnehmen, an Handgepäck, was er tragen konnte,
und Essen für vier Tage. Am folgenden Tag wurde laut Anordnung des Gauleiters

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