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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
49. Jahresband.1969
Seite: 251
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das Bett zu hüten zwang. Mein Kopf war munter, und ich tötete die Langeweile
mit Lesen und Schreiben. Bald aber war mir dies zur Last, und ich fing an zu
zeichnen.

Mit diesem trat ich eigentlich, wenn ich so sagen darf, eine neue Epoche meines
Lebens an. Denn es entwickelte sich in mir ein Talent, an das früher niemand
dachte. Alle Kinder vergnügen sich gerne mit Zeichnen, sind aber im allgemeinen
mit allem, was sie machen, zufrieden, was aber bei mir der Fall nicht war. Bald
wußte ich meinen Gestalten eine bestimmte Form zu geben, und man unterschied
leicht ein Pferd von einem Esel.

Mein Vater war begreiflich arm. Denn er hatte nichts als seine Gage. Und obwohl
meine liebe Mutter durch ihrer Hände Arbeit manches verdiente, so waren
meine Hilfsmittel entsetzlich klein. Ich machte also aus Haaren, die ich meiner
guten Mutter abschnitt, Pinsel, die ich in abgenutzte Federkiele band. Tinte und
Ziegelstaub, womit mein Vater seinen Säbel putzte, gaben mir Farbe, wozu mir
meine Mutter aus der Metzig noch Ochsengalle mitbrachte, und mit diesem ersetzte
ich die gelbe Farbe. Mit Agathenzetteln, die man im katholischen Schwaben häufig
an den Türen sieht, um den Hexen den Eingang zu verwehren, machte ich den
Anfang. Ich zierte sie mit allerlei schönem Laubwerk aus. Auch hin und wieder
mit dem Bild der hl. Agathe selbst. Mein Bruder, der sehr schön schreiben konnte,
mußte sie allemal schreiben.

Idi wurde wieder gesund, und mein Vater schickte mich und meinen Bruder nach
Donaueschingen in die Normalschule, die wir beinahe zwei Jahre besuchten. Da wir eine
kleine Stunde dahin hatten, folglich über Mittag nicht nach Hause kommen konnten, so
gab uns die liebe Mutter jedem in der Frühe ein Stück Brot in die Tasche, den Schulsack
auf den Rücken, segnete uns, und wir trollten guten Mutes mit dem teuren Muttersegen
zur Schule. Im Winter ging dies aber nicht so. Da machte uns der Vater in Donaueschingen
eine Mittagskost aus, die in gebratenen Knöpfle oder Spätzle bestund, welche uns
jedesmal die Mutter, so wie sie aus dem Wasser kamen, nebst einem Broschen Schmalz in
einer Schachtel mitgab. Bald aber kam dies dem Vater zu teuer, und wir mußten wieder
mit Brot, welches wir jedesmal auf der Schulstube verzehrten, Vorlieb nehmen.

In den Nebenstunden zeichnete ich meistens; denn der Vater duldete es nicht,
daß wir — gleich anderen Kindern — auf die Gasse durften, obwohl auch hierin
seine strenge Aufsicht öfters hintergangen wurde. Ich machte Soldaten und Vögel,
welch letztere mir am leichtesten zu machen waren, auch sogar manchmal militärische
Kompositionen nach Erzählungen meines Vaters aus dem siebenjährigen
Preußenkrieg, dem er beiwohnte. Wahrscheinlich eine solche Zeichnung nahm mein
Vater einmal mit sich nach Donaueschingen, als er dahin auf die Wache zog. Er
zeigte sie seinen Kameraden und dem Wache habenden Offizier, einem gewissen
Leutnant von Consini. Dieser hatte fiel Gefallen daran, daß er meinem Vater ein
Groschenstück schenkte mit dem ausdrücklichen Bedeuten, für mich eine Farb-
schachtel zu kaufen. Mein Vater tat dies, und ich fühlte mich ganz glücklich, und
mein Mut wurde immer größer, und mit ihm meine Fortschritte.

Durch gute Freunde aufgemuntert, entschloß sich meine liebe Mutter, mit uns
zwei Buben zum damals regierenden Fürsten Joseph Wenzel, der ein guter alter

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