Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
51. Jahresband.1971
Seite: 54
(PDF, 52 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1971/0056
men auch in der Nibelungensage von Siegfried vor. Kein Baum ist in den deutschen
Minne- und Volksliedern so geehrt und so oft besungen wie die Linde. Darf
es uns wundern, wenn gerade am Lindenbaum ein Gnadenort entstanden ist?
Wäre das zutreffend, dann dürften wir auf ein hohes Alter unseres Heiligtums
schließen.

Nach Grimm wurde auch dem Wasser, besonders den Quellen und Brunnen, eine
heilige und heilende Kraft zugeschrieben. Es ist darum möglich, daß auch der
Brunnen bei den Linden in kultischem Dienste stand. Wo heute noch an der Nordseite
der Kirche ein Wasserleitungsrohr steht, kann man auf alten Bildern einen
überdachten Brunnen erkennen. Auch dieser Brunnen dürfte später im Christentum
im Vertrauen aufgesucht worden sein. Grimm sagt: „Legten die Heiden die
Wunderkraft einer Quelle ihrem Wald oder Wassergeistern zu, so übertrugen die
Christen das nachher auf ihre Heiligen." 26 Nach altem Brauch tranken die Pilger
aus dem Brunnen bei Maria Linden und erhofften Befreiung von ihrem Fieber.
Auch Taufkirchen zu Ehren des Johannes des Täufers wurden oft an diesen heidnischen
Kultstätten durch die Missionare errichtet. Wie heidnisches und christliches
Brauchtum bis auf unsere Zeit sich miteinander verbunden haben, ersehen wir
aus den Legenden und Sagen über die Entstehung von Maria Linden.
Schnezler berichtet: An der Landstraße, die nach Basel führt, nicht weit vom Hubbad
und der Burg Windeck, liegt eine freundliche Wallfahrtskirche, „Zur Linde"
genannt. Diesen Namen hat sie von einer uralten Linde, die wenige Schritte von
ihr entfernt steht. In geraumen Zeiten soll das Muttergottesbild, welches jetzt auf
dem Hauptaltar der Kirche aufgestellt ist, in einer Nische des Baumstammes
gestanden haben. Es geschah nun, daß ruchloses Kriegsvolk die Gegend überschwemmte
und die Kirche nebst anderen Gerätschaften und Bildern zerstörten.
Da wuchs die Rinde der Linde über die Blende des Madonnenbildes, so daß es
dicht in den Baum eingeschlossen war und jedem Auge verborgen blieb, bis Friede
und Ordnung im Lande wieder hergestellt waren. Ein Hirtenmädchen, das in der
Nähe der Linde seine Herde hütete, vernahm eines Abends einen lieblichen Gesang
, der aus dem Baum zu klingen schien. Dies wiederholte sich an zwei und drei
Tagen darauf, und nun erzählte es diese wunderbare Sache ihrem Vater. Dieser
sagt, sowas könne nur ein Zauberwerk sein, das von einem bösen Geist herrühre,
und machte sich mit einer Holzaxt auf, um die Linde zu fällen. Als er aber kaum
die Linde berührte, fielen die Teile derselben ab, welche die Blende überwachsen und
verborgen hatten, und das Muttergottesbild lächelte ihm daraus entgegen. Die
Wundermäre verbreitete sich rasch in der ganzen Gegend, und alles Volk strömte
herbei, das Wunder zu sehen und dem Bilde seine Gebete darzubringen. Der Herr
von Windeck erbaute auf diesen Anlaß hin neben der Linde eine Kapelle, in
welcher das Bild aufgestellt wurde27. Eine kleine offene Marienkapelle neben der
Kirche steht heute auf dem Platz, wo nach der Überlieferung die alte Linde gestanden
hat.

26 Ebda., S. 488.

27 Schnezler, S. 139—140.

54


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1971/0056