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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
51. Jahresband.1971
Seite: 90
(PDF, 52 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1971/0092
Skulptur, wofür in der St. Peter- und Paulskirche zu Rosheim (Elsaß) das Kapitell
mit den unter dem Wellenband befindlichen kleinen Menschenköpfen als Beispiel
diene. Nun haben wir bei unserem Taufstein nicht nur ein einfaches Wellenband,
sondern ein wellenartiges Flechtband, wie es in der zweiten Hälfte des 1. Jahrtausends
über weite Teile Europas hinweg verbreitet war, die größte Rolle aber
in der langobardischen Ornamentik spielte. Wir können hier durchaus Schaffran
zustimmen, wenn er dem Flechtband einen Symbolbezug zuerkennt4. In enger
Berührung mit der antiken Tradition begann man in Oberitalien das Flechtmotiv
in Stein zu meißeln, von wo wenige Jahrzehnte später wandernde Steinmetzen
das Motiv nach Dalmatien, Südfrankreich und Deutschland brachten (man vergleiche
das Flechtbandornament an dem nördlichen der zwei figurengeschmückten
Säulenkapitelle zu Alpirsbach!). Sicher wurden auf ähnliche Weise auch andere
Motive - gerade auf dem Gebiet der Tierplastik - in unsere süddeutsche Kunst
eingeschleust, und doch ist die Frage nach ihrer Herkunft schwieriger zu beantworten
als allein mit dem Hinweis auf den lombardisch-oberitalienischen Kunstkreis
, der ohnehin nur Mittler älterer Bildvorstellungen ist.

Um den Sockel des Taufsteins lagern mehrere Tiere. Wir können uns nicht der
Meinung anschließen, daß es sich um „eher absichtlich unrealistisch behandelte höllische
Phantasiegeschöpfe als Löwen" handle5. Löwen als Träger von Taufsteinen
sind ja allgemein bekannt - so etwa im Vorhof der Abtei Maria Laach -, auch
passen sie besser in das ikonographische Konzept als nicht näher zu bestimmende
Monstren. Bis in das Altertum zurück läßt sich die Bedeutung des Löwen nachweisen
als „Tier der Schwelle", als Sinnbild des Übergangs, sei es in den Himmel,
sei es in die Hölle. Das ägyptische Totenbuch schildert (Kap. 146-147) anschaulich,
wie die Tore der Unterwelt von Löwen bewacht werden. Dieselbe Bedeutung
hatten die steinernen oder bronzenen Grablöwen der Antike, galten doch die
Gräber zu Recht als Eingang in die Welt der Abgeschiedenen.

Der mittelalterliche Christ erblickte in dem grimmig dreinschauenden und den
Rachen aufreißenden Löwen das Symbol des den Menschen verschlingenden Abgrundes
. Daran ändert auch nichts die fast verspielte Haltung der Freudenstadter
Bestien - bei den zwei Paaren legt je einer dem anderen die Vorderpranken auf
den Rücken (Abb. 3) — sie sind ja in ihrem Reich, und der sündige Mensch ist in
ihrer Gewalt. Die sonderbar verrenkte Gestalt mit dem schön gescheitelten Haar
- man wollte in ihr schon einen Hinweis auf die Eitelkeit erblicken - ist ihr Gefangener
. Sicher kann nicht genügend vor willkürlichen Ausdeutungen gewarnt
werden; trotzdem ist nicht anzunehmen, daß dieses menschliche Wesen, dessen
Hände und Füße gegen den Sockel gestemmt erscheinen, „vielleicht nur humoristisch
, im Sinne späterer gotischer Handwerkerscherze" zu verstehen ist6. Die
unnatürliche Haltung zeugt von dem Lose der Verdammten, ist Ausdruck höllischer
Pein. Möglicherweise soll die aus der grausamen mittelalterlichen Rechts-

4 Enterich Schaffran: Die Kunst der Langobarden in Italien. Jena 1941, S. 66 f.

5 Hans Rommel / Georg Kopp: Die Stadtkirche von Freudenstadt. Freudenstadt 1963, S. 12.

6 H. Weizäcker: Der Freudenstadter Taufstein und kein Ende (= Freudenstadter Heimatblätter 3. bis 4.
Jg., 1938-1939, S. 10).

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