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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
51. Jahresband.1971
Seite: 92
(PDF, 52 MB)
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heimatlichen Boden unter die Füße zu bekommen - zu dem am Gründonnerstag
als Gießgefäß bei der Fußwaschung dienenden Bronzelöwen aus der Kirche in
Oberachern (spätes 15. Jahrhundert) und dem Offenburger Löwenbrunnen (1599,
Original im Museum).

So erscheint der Löwe als Hüter und Spender des zum Leben notwendigen Wassers
und erhält gerade von hier aus seine tiefere Bedeutung an dem Freudenstadter
Taufstein. Der gläubige, mit der mittelalterlichen Bildersprache vertraute Christ
erblickte in den beiden aufgezeigten Funktionen - Höllentier und Spender des
Lebenswassers - weniger einen Widerspruch als vielmehr eine sinnvolle Ergänzung
. Nur durch die Todespforte kann der Mensch ins ewige Leben Eingang
finden. In jedem Falle ist der Löwe das Tier der Schwelle, sei es zum Abstieg
oder zur Auferstehung8. Von hier aus sind z. B. die beiden löwenköpfigen Türklopfer
am Westportal zu Alpirsbach zu verstehen; als Hüter des Heiligtums
schwingt bei ihnen auch der Gedanke der Dämonenabwehr mit. Es ist hier nicht
der Ort, die ganze Symbolik des Löwen aufzuzeigen; nur der Hinweis sei noch
gegeben, daß - nach der Aussage der romanischen Portalplastik - der Löwe nicht
nur den Menschen verschlingt (ein sprechendes Bild für die unheimliche Macht des
Todes), sondern ihn auch wieder zum (ewigen) Leben ausspeit.
Betrachten wir nun die Darstellungen an der Außenwand des Taufbeckens. Zunächst
fallen zwei Monstren auf, deren lange, zurückgedrehte Hälse miteinander
verschlungen sind (Abb. 4). Das Motiv der verschlungenen Tierhälse - es findet sich
z. B. auch auf einem Kapitell in der spätromanischen Burgkapelle Krautheim an
der Jagst - ist auf den alten Orient zurückzuführen. In frühsumerischen Siegelbildern
aus dem Anfang des dritten Jahrtausends begegnen uns eigentümliche
vierbeinige Fabelwesen, deren überlange Hälse miteinander verklammert sind.
Die altorientalischen Bildvorstellungen (wie z. B. das Motiv des von zwei Tieren
flankierten Lebensbaumes oder das des Tierbezwingers) gelangten über mediterrane
Völker- und Kulturbewegungen nach Italien, Frankreich und Deutschland, wo
sie in der romanischen Bildwelt neues Leben erhielten 9.

Was aber bedeuten diese Tiere? Sicher müssen in den Versuch einer ikonogra-
phischen Aufschlüsselung auch die beiden menschlichen Köpfe, die durch je einen
ausgestreckten linken Arm mit den Schwanzenden der Tiere verbunden sind, einbezogen
werden. In der Darstellung der beiden Drachen und der zugehörigen
menschlichen Wesen haben wir das zentrale Motiv des ganzen Taufbeckens, dafür
spricht nicht nur, daß die Ungeheuer als einzige Wesen die ganze Höhe der Bek-
kenwand zwischen den Taustricken einnehmen, sondern auch ihre und der menschlichen
Wesen Duplizität. Gerade hier zeigt sich aber auch die ganze Problematik
der Deutung romanischer Bildwerke.

Zunächst muß der moderne Betrachter seinen eigenen geistigen Standort erkennen
, bevor er dem Kunstwerk einer früheren Epoche verstehend gegenübertreten

8 Manfred Lurker: Löwen am Münsterportal (= Antaios 5/1964, S. 270-271).

9 Vgl. dazu Hartmut Schmökel: Das Land Sumer. Stuttgart 1955, S. 168-171. Richard Bernheimer: Romanische
Tierplastik und die Ursprünge ihrer Motive. München 1931, S. 82 ff.

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