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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
51. Jahresband.1971
Seite: 139
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ten, lag er mit wenig Männern ohne MG einem ganzen Bataillon gegenüber.
Nirgendwo Verstärkung, kein deutscher Panzer weit und breit. Das einzig Mögliche
sei gewesen: „Es rette sich, wer kann." So war das also vorne!
Währenddessen schoß die deutsche Artillerie unentwegt über uns hinweg. — Doch
plötzlich war in dem Ari-Geheule ein ganz anderer Ton: „Siu — — — peng!"
— Einschlag in unserer Nähe!

Die erste Granate war ins Dorf gegangen! Als erstes wurde Beck Ludwigs Haus
getroffen. Dann rissen die Granaten Mordslöcher in die Dachstühle vom Postamt,
von Hoog Hafners, von Moser Michels. Auch auf den Straßen hatten Granaten
eingeschlagen und wüste Löcher aufgerissen. Und leider gab es auch einen Toten:
Rudolf Gießler, 's Ziegler Seppe 16jähriger tüchtiger Sohn, wurde von Splittern
getroffen und getötet.

Als wir beim Abendessen auf unserer Veranda saßen, erschütterte ein furchtbarer
Knall das ganze Dorf. Überall klirrten geborstene Fensterscheiben. Wir rannten
in den Hof, um zu sehen, was los war. Aufsteigender, dicker Qualm stand in Richtung
Kinzig. Die Holzkinzigbrücke, vom Arbeitsdienst für Kriegszwecke etwa
100 Meter südlich der großen Eisenbrücke gebaut, war gesprengt worden und
brannte wie eine leuchtende Fackel ab.

Hedwig und ich fuhren in der Dämmerung noch eine Kiste nach Emersbach. Unser
ganzes Dorf war voller Soldaten. Infanterie ging im Gänsemarsch mit geschulterten
Panzerfäusten in Stellung. Kein motorisiertes Abwehrmittel war zu sehen.

Am Donnerstag, den 19. April 1945

Die Artillerie schoß weiter nach Biberach!

Gleich beim Frühstück schlug ein Ari-Geschoß mit fürchterlichem Krach in unserer
Nähe ein. Das Geschirr aus dem Verandaschrank lag in vielen Scherben auf dem
Boden.

Zwischen acht und neun Uhr kam noch ein befreundeter Soldat zum letzten
„Behüte Euch Gott" zu uns herein. Er war bei der letzten Flak, die Biberach verließ
, und mußte noch eine Leitung von hier nach Steinach abwickeln.
Gleich darnach gab es die zweite ungeheure Detonation an diesem herrlich klaren,
sonnigen Frühlingsmorgen: Unsere große Kinzigbrücke, die sich im hohen Eisen-
konstruktionsbogen von Ufer zu Ufer spannte, war gesprengt worden. — Hitlers
Regie hatte zum allerletzten Mal geklappt!

Wieder flog unser Geschirr aus den Schränken, im oberen Stockwerk waren die
Zimmer mit Fensterscherben übersät, die Tapeten waren meterbreit mit dem Gips
von den Wänden gerissen.

Die Artillerie-Einschläge waren so häufig und nah, daß wir beschlossen, in den
Keller zu ziehen. Mit Moser Adlerwirts, die auch ihre Zuflucht im großen Keller
in der Geroldsecker Straße suchten, wollten wir gute Nachbarschaft halten. Sie

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