Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
51. Jahresband.1971
Seite: 140
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luden uns zum „Nieni-Brot", einem gekochten Schinken, ein. Wir aber wollten
für beide Familien Mittagessen kochen.
Aber es sollte ganz, ganz anders kommen!

Zunächst brachte uns Frau Lehmanns Nichte noch Lebensmittel. Sie weinte und
war todunglücklich. Ihr kleines Kind war in Rothmanns Felsenkeller (dem Biber-
acher Luftschutzbunker) jenseits der gesprengten Kinzigbrücke. Sie wußte sich
keinen Rat, wie sie nun zu ihrem Kind kommen könnte. Wir berieten alle Möglichkeiten
. Nur um ihr Mut zu machen, gingen wir schließlich mit.
Das Dorf schien ausgestorben. Im Ort pirschten wir uns an den Häusern entlang
bis zum Helmensepp, dann im Dauerlauf zum Kinzigdamm. Granitbrocken, Eisenteile
und Randsteine waren bis ans Dorf herangeschleudert. Die Dächer der Häuser
am Dorfrand waren alle von der Brückensprengung verschoben. Und die Brücke,
unsere große Eisenbrücke, war hüben und drüben abgerissen, das Mittelteil war
noch einmal abgeknaxt und lag im Wasser. Wir lotsten die Frau bis zum Brücken-
wrak und halfen ihr, trockenen Fußes über die geborstenen Brückenteile hinüber-
zu kommen.

Soldaten schimpften von der Eichhalde zu uns herüber, wir sollten machen, daß
wir nach Hause kämen.

Daheim fingen wir an, das noch heile Eßgeschirr in den Keller zu räumen. Es war
kurz nach 11 Uhr, als Flugzeuge sehr tief über uns kreisten. Thurso, unser Hund,
klemmte den Schwanz ein und war der erste im Keller, wo er sich sofort in seine
Luftschutzdeckung unterm Mostfaß zurückzog. Kaum waren wir alle nachgekommen
, da prasselte es wie Hagel auf unser Dach. Bordwaffenbeschuß!

Geschosse schlugen auf der Ladentreppe auf. Den Feuerschein warf es wie Lohe
durchs Kellerfenster. Nach bangen Minuten wurde es endlich wieder ruhig. Vorsichtig
schlichen wir uns hinten aus unserem Haus, um zu sehen, was los war.
Über dem Unterdorf stand dicker Qualm. Wir fragten uns: „Ob 's bei Berger
Xavers brennt?" — Wir schauten nach der andern Seite. Dort war dieselbe
schwarze, unheimliche Rauchwand. Wir rannten zur Geroldsecker Straße vor:
Qualm und Rauch drangen zwischen Fautz Zimmermanns Dachziegeln hervor,
und aus dem Giebel schlugen die Flammen. — Und der „Adler" brannte, und
weiter oben brannte es auch, es war nicht zu begreifen. Der Bordwaffenbeschuß
mit Brandmunition hatte eine schreckliche Wirkung gehabt.

Ich stürzte in Fautzens Keller. Kerzen brannten auf einem Herz-Jesu-Altärchen,
und Frauen und Kinder beteten davor. Ich schrie: „Bei Euch brennts!" — Noch
niemand hatte es bemerkt. Es waren evakuierte Frauen und Kinder von Freiburg
dabei.

Die Kinder schrien, die Frauen jammerten: „Was sollen wir machen?" — Die
Kinder nahm ich sofort in unseren Keller. Dann fingen wir an, aus dem brennenden
Haus herauszuholen, was noch möglich war. Wir packten Lasten, die fast
nicht zu zwingen waren, und schleppten Kisten, Koffer, Säcke, Betten hinter unser
Haus. Frau Fautz und die Gißler Theres zogen ihr Schwein und ihre Geiß in

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