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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
51. Jahresband.1971
Seite: 142
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sehen gewesen, keine Feuerwehr. Nur die nächste Nachbarschaft und wir waren
zum Helfen da. Viele Häuser um uns brannten ab, ohne daß ein einziger Mensch
dem Feuer gewehrt hätte oder etwas herauszuretten versuchte.
Am Nachmittag suchten die Brandgeschädigten ihr Eigentum aus dem Berg der
geretteten Habseligkeiten in unserem Hof. Der Adlerwirt belud einen Wagen mit
Möbeln und Betten und fuhr damit in sein Elternhaus am Mühlbach. Als er von
dort zurückkam, war der arme Mann am Verzweifeln, denn Moserlandeis (das
Vaterhaus) stand auch nicht mehr. Es war zur gleichen Zeit mit Maier Georgs,
Berger Karls und Hug Straßenwarts Häusern abgebrannt.

Nun halfen wir, den geretteten Hausrat irgendwo und irgendwie unter Dach zu
bringen. Wir schleppten Wasser in Adlerwirts Keller, wo man versuchte, drei
Riesenfässer Most zu retten. Kein Mensch hatte Zeit, auch nur mit halbem Ohr
auf die Artillerie zu hören, die seit dem Vormittag ununterbrochen ins Dorf hereinschoß
. Nur ab und zu horchte man auf, wenn das Tacken der MGs sich ganz
nahe anhörte. Vereinzelt noch durchkommende deutsche Soldaten berichteten, daß
der Feind in Fußbach und Fröschbach sei, in den Wäldern noch weiter vorne,
und daß wirs bald überstanden hätten. Aber wir hatten nicht einmal Zeit, Angst
zu haben.

Nach 17 Uhr kam Oberarzt Dr. Zehetner noch auf einen Sprung zu uns, um sich
zu verabschieden. Er hatte meinen Vater als Patient behandelt und war öfters ein
netter Gast bei uns gewesen. Nun wartete er jede Minute auf die Abberufung für
sich und sein Revier, zwei Kilometer vom vorrückenden Feind entfernt. (In Steinach
soll er schon in Gefangenschaft geraten sein, wird erzählt!)
Das MG-Getacke kam immer näher, man glaubte Panzerketten rasseln zu hören.
Elfriede, Hedwig und ich fuhren immer noch mit dem Handwägele, um das
Gerettete unserer obdachlosen Nachbarn vor den anrückenden Franzosen in Sicherheit
zu bringen. — Wir waren mit Mosers Liesbeth und Marie am Kinzigdamm,
um nach Adlerwirts ausgerissenen Kühen zu suchen, als wir deutlich Panzer
anrollen hörten. Es war gerade am Dämmern, und ich schrie: „Jetzt müssen wir
heim, schnell heim, ich glaub', sie kommen!"

Nochmals mußten wir Wasser pumpen, weil Adlerwirts Trümmer erneut aufbrannten
. Und auf einmal, als wir am Brunnen hinter unserm Haus verschnaufen
mußten: „Still, horcht doch, sie sind schon da! Hinter unserm Garten bei Straßenwarts
lärmt es schon französisch!" — Tatsächlich! Es parlierte in lautesten Tönen!
Jetzt war es also soweit!

Gleich darauf fuhren französische Panzer am Mühlbach rauf. Als wir durchs
Fenster unserer vorderen Haustüre hinausspähten, konnten wir über die heruntergebrannten
Häuser auf die Hauptstraße sehen. Im gespenstischen Feuerschein
der glutenden Trümmer wurden die Silhouetten der französischen Panzer sichtbar,
die auf der B 33 einfuhren und Biberach in Besitz nahmen.

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