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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1972/0049
der ewigen Weisheit", der Patronin seines Ordens eingedenk, ein Kapitel „von
ire unsäglichem herzleide" und ließ sie sprechen: „Ach, wie muoterlichen ich do
sin toten arme enphieng, mit welen trüwen ich sü an min bluotvarwen wangen
trukte, und do er mir her abe wart, wie gruntlieplich ich in mit minen armen
also toten umbvieng, zuo minem muoterlichen herzen daz einig uzerweltes
zartes liep trukte, und sin bluotig vrischen wunden, sin totes antlüte durkuste,
daz doch, als och alle sin lip, gar in ein wunklich Schönheit waz verkeret, daz
enkoendin ellü herzen nit betrahten! Ich nam min zartes kint uf min schoze und
sah in an, — do waz er tot; ich luogt in aber und aber an, do enwas da weder
sin noch stimme. Sich, do erstarb min herze aber und moechti von dien totwunden
, so es enphieng, in tusent stuk sin zersprungen" l. — „Plus quam martyr", so
hatte schon die frühmittelalterliche Exegese Maria genannt.

Eine weitere Verbindung besteht zu den Gesängen der Karfreitagsfeier (daher
Vesper-Bild) und zu den vielfältigen liturgischen Formen, mit denen Volksfrömmigkeit
die „Sieben Schmerzen Mariä" verehrte; eine dritte, bedeutende
schließlich zu den geistlichen Dramen der Zeit. Das populäre Donaueschinger
Passionsspiel etwa — das auf Villinger Ursprünge zurückgeht — hält, wie
üblich, zwischen den Szenen der Kreuzabnahme und der Grablegung inne; an
dieser Stelle spricht Maria, den Leichnam ihres Sohnes auf dem Schoß („Sei
willekom du leichnam zart" lautet die andernorts häufige Formel), und zwar,
laut Bühnenanweisung, in klagendem Ton:

„O Ihesus, ein liecht der ewikeit, min hertze wil mir von we zerbrechen,

wie bistu so dunckel har geleit da du nit magst ein wort gesprechen!

diner muotter in ir schos! wo ist din rosenvarwer mund,

owe, wie ist min leid so groß! dem alle warheit hie was kündt?

o edler brunne aller gnad, wie bistu yetz so gar verschwigen!

o du gewarer rechter pfad, ich gesich dich so ellent vor mir ligen,

o Ihesus, min hertzlieber sün, das mir min hertz zerbrechen wil:

magstu din mund nit vff tün, miner not vnd angst der ist vil,

das du ein wort redest mit mir? das ich vor we nit reden mag!

o kind, wie ist geschechen dir, owe, sün, der schwären clag,

das dir verwundt ist so gar din lib? das ich min liebes kind muß lan:

owe, war wil ich armes wib? du hast doch nie kein vbels tan!"-

In dieser Marienklage, als einer von unzähligen, stimmen Bühnenbild und Plastik
vollkommen überein.

Der methodische Weg führt über das Allgemeine wieder zum Ausgangspunkt zurück
. — Das Rastatter Vesperbild, dessen Entstehung man wohl erst ausgangs
der Gotik, jedenfalls aber spät wird ansetzen müssen, unterscheidet sich gerade
als Spätwerk deutlich von seinen Vorläufern; was jene noch auszeichnete, die

1 Karl Bihlmeyer (Hrsg.), Heinrich Scuse: Deutsche Schriften. Stuttgart 1907, S. 275 (= XIX. Kap., »Von
der abloesunge").

2 Eduard Hartl (Hrsg.): Drama des Mittelalters. Deutsche Literatur in Entwicklungsreihen, Bd. 4. Leipzig
1942, S. 239.

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