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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1972/0188
Der Heimatkundeunterricht steht vor neuen Aufgaben

Von Klaus Mandler

Wenn zum Jahreswechsel 1972/73 die erst heiß diskutierte und nun doch von allen mehr
oder weniger befürwortete Verwaltungsreform augenscheinliche Formen angenommen und
die verwaltungspolitische Landschaft sich gemäß den Wünschen ihrer geistigen Väter den
realen Gegebenheiten angepaßt hat, werden nicht nur oberflächliche Verwaltungsstrukturen
in neue Formen gegossen, sondern auch, wie das am Hanauerland besonders deutlich wird,
historische Gemeinschaften einer neuen Zerreißprobe unterworfen. Vermögen nun die vorwiegend
auf der Tradition fußenden Formen der menschlichen Gemeinschaft, die nicht
nur seitens der Administration verändert werden, sondern auch durch den Hauch der
Zeit in ihren Strukturen anfällig geworden sind, dem erneuten Ansturm standzuhalten?
Der unvoreingenommene Historiker muß zur Kenntnis nehmen, daß sich sowohl im Bereich
der zwischenmenschlichen Beziehungen als auch in den Sphären der Ökonomie und
Kultur derart weitreichende und tiefgehende Veränderungen abzeichnen, die schneller als
jemals zuvor die Kontinuität in der geschichtlichen Entwicklung zu sprengen drohen.
Innerhalb einer Generation hat sich die sozio-ökonomische Struktur im Gebiet des
Hanauerlandes unter Einbeziehung der Stadt Kehl grundlegend geändert. Und der Umformungsprozeß
ist bei weitem noch nicht abgeschlossen.

Parallel dazu verlaufen die offensichtlichen Auflösungserscheinungen in den kommunikativen
Kooperationen. Die Schwindsucht der Gesangvereine, der einstigen Träger der kulturellen
Arbeit innerhalb der dörflichen Gemeinschaften, ist schon sprichwörtlich geworden
. Die heimischen Trachten dürften bald außerhalb der Zentren des Fremdenverkehrs
nur noch in den Heimatmuseen bewundert werden. Auch das sich in der Mundart äußernde
Band eines Landstriches verliert infolge eines veränderten Wortschatzes mehr und mehr
an Ursprünglichkeit.

Wenn uns wirklich daran gelegen ist, historische Gemeinschaften zu erhalten, dann müssen
wir einerseits anerkennen, daß sich die typischen Strukturen eines Landstriches nicht
selbständig von einer Generation auf die andere Generation übertragen, sondern vielmehr
als je zuvor der bewußten Pflege der am Historischen Interessierten bedürfen. Andererseits
können wir dieses mühselige Unterfangen aber auch nicht den wenigen Idealisten
überlassen, die sich mit ihrer ganzen Persönlichkeit dafür einsetzen, das historische Moment
ins Bewußtsein rücken zu lassen. Es genügt auch nicht, sich mit steinernen Zeugen
aus der Vergangenheit als Katalysator zu begnügen. Wir müssen in der Familie, in der
Schule, in den Gemeinden, in den Vereinen und den überörtlichen Vereinigungen die
Dynamik der Geschichte bewußt werden lassen.

Kenner unserer Schulen werden mit dem Einwand kommen, daß ja bislang durch den von
der Kultusverwaltung verordneten Heimatkundeunterricht bereits dieser Forderung vollauf
entsprochen wurde. Der Unterricht an unseren Schulen sollte, wenn er dem Buchstaben
genau befolgt würde, auf dem „Heimatprinzip" aufgebaut sein. Aber gerade dieses
Phänomen „Heimatprinzip" hat bei der jetzt anlaufenden Curriculum-Diskussion zahlreiche
Pädagogen mit weitreichendem Einfluß auf den Plan gerufen. Sie verdammen die
„süßliche Heimatkunde" und apostrophieren sie als eine „Ideologie der bürgerlichen Mittelschichten
" (Professor Neumann, Schwäbisch Gmünd).

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