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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1972/0216
Trotz aller finanziellen Nöte im vergangenen Jahr war der Druck der Zeitungen weitergegangen
und auch der Historische- und Haushaltungs-Kalender für 1787 erschienen.
Verzögert hatte sich aber offenbar die Herausgabe der „Bemerkungen über einige Metallische
Fabriken der Grafschaft Mark" von E. A. Jägerschmid; das mit vier Kupfertafeln
ausgestattete Buch erschien 1788 in Durlach bei J. G. Müller mit einer Vorbemerkung des
Verfassers vom 1. Dezember 1787, daß bereits zehn Monate verflossen seien, seitdem er
die Bemerkungen dem Druck gewidmet habe. Trotz seiner Kürze (64 S.) bietet uns das
Bändchen einen guten Einblick in den damaligen Stand der Technik auf verschiedenen
Gebieten der Eisenindustrie.

Arreststrafe für den Markgräflichen Hof- und Kanzlei-Buchdrucker

Das Jahr 1789 kündigt sich in Kehl mit Stürmen an. Der „Oberrheinische Hinkende Both"
vom 29. Januar berichtet von großen Überschwemmungen durch die Kinzig, die vor allem
das Dorf Kehl unter Wasser setzen, so daß man mit dem Nachen in das Wohnzimmer
fahren kann, und außerdem von Treibeis auf dem Rhein. In Frankreich erlebt man den
härtesten Winter seit Jahrzehnten nach einer Mißernte, die nun Tausende von Hungernden
und Arbeitslosen nach Paris treibt, und der Abbe Emannuel Sieyes setzt ein politisches
Sturmsignal mit seinen schicksalsschweren Fragen: „1. Was ist der dritte Stand? Alles.
2. Was ist er bis jetzt in der staatlichen Ordnung gewesen? Nichts. 3. Was verlangt er?
Etwas darin zu werden." 63 Am 17. Juni konstituiert er sich als „Nationalversammlung",
und zwei Tage später leisten seine Abgeordneten den berühmten Ballhausschwur. Ein unruhiges
Jahr auch für Müller. Während er in der Vergangenheit keine ernsthaften Schwierigkeiten
mit der Zensur hatte und nur einmal davon die Rede ist, daß ein Artikel über
Dänemark widerrufen werden muß, verschärfen die Vorzeichen der französischen Revolution
offenbar den Eifer der Zensoren: durch einen Beschluß vom 22. Juni 1789 wird der
Geh. Hofrat Wielandt aus Rastatt nach Kehl beordert, um eine Untersuchung wegen eines
Nachdrucks von Schmähschriften vorzunehmen. Er berichtet, daß man 145 Exemplare der
„Memoires justificatifs de la comtesse de Valois de la Motte", selbst gedruckt, im Amtshaus
deponiert habe, ebenso 16 Exemplare der „Histoire secrete de la Cour du Berlin",
welche Müller nicht selbst gedruckt, aber verkauft habe64. Dieses Werk werde aber auch
sonst in Deutschland verkauft, der Verkauf sei auch nicht verboten, und dem Müller sei
der Buchhandel gestattet, so daß ihm die 16 Exemplare wieder zurückzugeben wären.
Was das erste Buch betreffe, so sei die Kehler Zensur nicht ausgiebig bestellt und Müller
habe auch keine hinlängliche Weisung, was er drucken und nicht drucken dürfe. Die
Memoiren seien schon an mehreren Orten gedruckt worden; man solle ihn deshalb von
einer Strafe verschonen. Trotz des günstigen Berichtes wurden die Bücher durch Beschluß
vom 6. Juli 1789 beschlagnahmt, Müller ausdrücklich verwarnt, zu einem viertägigen
Profoßen-Arrest und zum Tragen der Reisekosten verurteilt. Das Urteil traf Müller in
jeder Weise sehr hart. Nach dem Protokoll vom 27. Juli 1789 wurde die Profoßen-Strafe
vorläufig suspendiert. Im übrigen solle die Strafe an Müller unauffällig vollstreckt werden
! Die Bücher wurden ihm nicht zurückgegeben, ein herber Verlust für ihn. Da Müller
sich bisher außerordentlich loyal verhalten hatte und in Karlsruhe Freunde wie Jägerschmidt
und Gerwig besaß, muß man annehmen, daß man dort aufgrund der Entwicklung
in Frankreich sehr nervös geworden war. Man hatte auch allen Grund dazu; dem
Sturm auf die Bastille in Paris folgte am 21. Juli die Erstürmung des Rathauses in Straßburg
und schließlich die Verwüstung der Straßburger Höfe durch die Bauern von Marlen,
Goldscheuer und Eckartsweier, wobei sich Kehler und Sundheimer beteiligten. Sie standen
nicht allein: „Der Ausbruch der französischen Revolution wurde auch im Hanauerland,

63 Emmanuel Sieyes, Abhandlung über die Privilegien, Frankfurt am Main 1968, S. 55 ff.

64 Die Schrift stammt von Mirabeau, der seine vertraulichen Berichte aus seiner Berliner Zeit an das
französische Außenministerium unter dem genannten Titel ohne Namensnennung in klingende Münze
verwandelte.

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