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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1972/0252
nähme nicht rentiere: „Umsonst kann man nicht arbeiten." Und in seiner späteren Verteidigungsschrift
vom 5. August 1785 bemerkte er, daß er mit seinen kleineren Unternehmungen
sein Auskommen hatte, während bei der Übernahme des Gymnasiums-Verlages
zu viel fehlte und zu viel gedruckt werden sollte. Er habe aber so ehrlich und
treulich für das Gymnasium gearbeitet, daß nie ein Buch gefehlt habe. Aus dem späteren
Verhalten des Markgrafen kann man entnehmen, daß dies auch voll gewürdigt wurde,
aber die bestehenden Interessengegensätze ließen nun einmal keine mildere Atmosphäre
zu, in der Müller sich hätte frei entfalten können. Was Johann Gottlieb Müller in der
baden-durlachischen Residenzstadt erwartet hätte, können wir am Schicksal seines
Namensvetters Christian Friedrich Müller ablesen, mit dem er gelegentlich verwechselt
wird. Er war 1797 zur Eröffnung einer Buchhandlung und zur Herausgabe einer Presse
ermächtigt worden, siedelte aber dann wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten nach
Pforzheim um, um dort in 400 Exemplaren die „Pforzheimer Nachrichten" herauszugeben.
Offenbar kam er auch dort nicht aus den Sorgen heraus und kehrte nach Karlsruhe zurück
, wo ihm Druck und Verlag eines „Provinzialblattes" bewilligt wurde. In dieser Darstellung
fährt Toni Peter mit der auch für diese Studie bedeutsamen Feststellung fort:
„Das in der Folgezeit im Hause Herrenstraße 26 verlegte und von kurfürstlichen Privilegien
getragene Blatt bot infolge einer strengen Zensurüberwachung Müllers Streben nach einer
Ausweitung des geistigen Klimas seiner Vaterstadt keinen Raum."220

Die Zensur bestimmte aber nicht nur das persönliche Schicksal Johann Gottlieb Müllers,
sondern auch den geistigen Gehalt seiner Zeitschriften und Zeitungen, angefangen von
den moralischen Wochenschriften bis zu seiner modernen Zeitung, dem „Courrier politique
et litteraire des deux nations". Die Aktualität seiner Konzeption ist geradezu verblüffend
: „Die Franzosen und Deutschen, die durch nachbarliche und politische Beziehungen
verbunden sind, die immer mehr an Bedeutung gewinnen, haben das größte Interesse
daran, gegenseitig über ihre politischen Angelegenheiten unterrichtet zu werden, und
zwar auf eine sichere und authentische Weise." Es war dem Verfasser aus verschiedenen
Gründen nicht möglich, sämtliche in Frage kommenden Nachschlagewerke einzusehen,
doch fand sich bei der vorgenommenen Auswahl keines, das vom „Kurier" und dem
„Courrier" Notiz genommen hätte. Kritisch wurde dagegen beispielsweise bei Beutler-
Gutsmuths221 vermerkt, daß es sich beim „Encyclopädischen Journal" um eine Nachahmung
der Englischen Magazine handele, wie es dann auch d'Ester222 formuliert, der
immerhin die guten Ubersetzungen anerkennt, die aus dem Holländischen (das E. J. wurde
auch in Utrecht verkauft), Französischen und Englischen angefertigt wurden. Auch
Bensei kann nicht oft genug die Benutzung fremder Literatur hervorheben. Das ist
sachlich zweifellos richtig, trifft aber keinesfalls den Kern der damaligen Publizistik, den
Diez bei seiner Besprechung des E. J. in der „Allgemeinen deutschen Bibliothek" herausgeschält
hat. Was Diez über den Einfluß der Zensur sagt, scheint uns wert, in Erinnerung
gebracht zu werden223:

„Indessen gibt es in Deutschland noch einsichtsvolle Staatsmänner genug, die die Freiheit
zu denken und die Freiheit zu schreiben begünstigen würden. Aber die deutsche Literatur
steht nicht unter der unmittelbaren Aufsicht von Staatsmännern. Zensoren urteilen ohne
Appellation über das Leben und über den Tod eines deutschen Buchs. Der mittelmäßigste
Kopf, der eben Dekan einer Fakultät ist, darf aus dem Werk des größten Genies, die
Stellen, die ihm mißfallen, ohne Barmherzigkeit wegstreichen, und niemand darf ihn
fragen: Was machst Du? Oft ist der Eigensinn, oft aber auch die Ängstlichkeit dieser
Leute schuld, daß die besten Gedanken im verborgenen bleiben . . .

Wer kann unter diesen Umständen von deutschen Sachen in Deutschland schreiben? Und
welches Wunder, wenn diejenigen, die jetzt erzdeutsch sein wollen, Deutschland noch

220 Toni Peter, Die alten Karlsruher Verlage, in: Badische Heimat, 45. Jg., Heft 1/2, 1965, S. 116.

221 Beutler-Gutsmuths, S. 168.

222 d'Ester, S. 94.

223 Friedrich Nicolai (Hrsg.), Allgemeine deutsche Bibliothek, Bd. 24, l. Stück, S. 297.

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