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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
53. Jahresband.1973
Seite: 20
(PDF, 57 MB)
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Afrikanern das Christentum europäischer Prägung zu vermitteln. Es muß auf die jeweilige
Wesensart der Völker Rücksicht genommen werden. So wies auch Papst Paul VI.
bei der Ausführung konziliarer Beschlüsse darauf hin, daß bei Änderungen und Neuerungen
(auch bei uns!) auf schon bestehende, örtliche Gepflogenheiten Rücksicht zu nehmen
sei. Er wendet sich also bewußt gegen eine weltweite Gleichmacherei und betont die vertretbare
, belebende Eigenart. Der Blick in die Vergangenheit läßt uns erkennen, daß das
Brauchtum das Zusammenleben der Menschen regelte, die Gemeinschaft förderte und das
Verhältnis zu überirdischen Mächten ordnete. Dieselben Merkmale weist auch das christliche
, das heutige Brauchtum noch auf, wenn wir es nach seinem Sinn, seinem Ursprung
hin untersuchen. Deshalb sah Professor Winkelhofer in einer gesunden Brauchtumspflege
die „Liturgie des Alltages".

Geschichtlich gesehen fällt es uns leicht, zu bestätigen, daß der Bauernstand und das aus
ihm erwachsene Kleinbürgertum von je her der Hort der Brauchtumspflege waren. Sie
empfingen ihre Impulse häufig aus dem Raum der Kirche, wobei der persönliche Glaube,
die religiöse Haltung, die lebendige, auch Neues schaffende Triebfeder war. Natürlich
steuerte auch die weltliche Seite unseres Lebens ihren Teil zum Gesamtbild des Volkslebens
bei. Vielleicht sehen wir jetzt Beziehungen zwischen dem Rückgang des traditionellen
Brauchtums und dem anhaltenden Glaubenszerfall - sprich Glaubenskrise - wie
auch der zunehmenden Auflösung der bäuerlichen Lebensgemeinschaft in unserem Jahrhundert
. Dabei fordern das kalt berechnende Nützlichkeitsdenken, die Entpersönlichung
des Alltages und die Vermassung unseres Lebensraumes ihren Tribut!

Trotzdem gehört aber noch unser Alemennenland mit zu den brauchtumsfreudigsten Gebieten
, da neben den gewachsenen Pflegestätten, einsichtige Männer und Frauen — wir
finden sie auch in den Reihen des Historischen Vereins - das echte, lebensfähige und sinnvolle
Brauchtum fördern und zu erhalten suchen, als ein Wesenselement unserer Heimat,
als ein Bindemittel unserer zerfallenden Gemeinschaften. Brauchtumsfreunde finden wir
auch in den Trachten- und Heimatvereinen, wobei wir da und dort kritisch fragen müssen,
ob die ideelle Pflege des eigenen volkstümlichen Kulturgutes im Vordergrund steht oder
die geschäftstüchtige Unterstützung des Fremdenverkehrs nicht plötzlich neue „Brauchtumsförderer
" auf den Plan ruft, denen sich manche finanzielle Quelle öffnet; denn
schließlich ist „Folklore" modern - „in" - und „folkloristische" Zug-, Werbe- und Verpackungsmittel
verfehlen ihre Wirkung nicht!

Schon die bisherigen Ausführungen dürften gezeigt haben, daß die Zielsetzungen des Historischen
Vereins wohl gewisse Berührungspunkte mit der örtlichen Brauchtumspflege
aufzuweisen haben. So können bestimmt Hilfen gegeben werden, bzw. Aussagen gemacht
werden, wenn es um die Erforschung geht, wenn der Weg in die vergangenen Jahrhunderte
angetreten wird. Die Ortschronik, das Studium von Akten und Urkunden, der erhellende
Vergleich mit anderen Gemeinden können Licht in die Geschichte bringen, zum
besseren Verständnis der Gebräuche und damit zur bewußteren Pflege führen. Überhaupt
sollte man sich einmal die Mühe machen festzustellen, welche Sitten und Gebräuche im
Raum der Kirche und der Gemeinde in früheren Zeiten einmal praktiziert wurden. Nicht
immer sind schriftliche Unterlagen vorhanden, aber noch leben ältere Leute, die gern
darüber berichten. Dabei tauchen oft eigenartige, heute unbekannte mundartliche Begriffe
auf, alte Verse oder gar Lieder und Tänze. Bevor unsere Jugend- und Tanzgruppen schwedische
oder bayerische Volkstänze einüben oder aufführen, sollte zunächst geprüft werden
, ob nicht alte, einheimische Tänze vorhanden sind, wobei dann gleichzeitig auch die
Melodie, die alte Tanzweise erhalten bleibt. Auch auf diesem Gebiete muß uns das Hemd
näher sein als die Jacke, zuerst das Bodenständige, Eigene, dann erst die Nachäfferei von
der Nordsee bis zum Alpenrand. In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, daß es
auch ernste und heitere alemannische Mundartstücke gibt (herausgegeben vom Bund Heimat
und Volksleben, Freiburg). Es muß nicht immer der Wildbach rauschen, der Wilddieb
unter dem Christbaum reuevoll zusammensinken und die Lederhose mit dem Dirndel die
Bühne beherrschen. Die örtliche Mundartforschung sollte ernst genommen werden, denn

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