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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
53. Jahresband.1973
Seite: 60
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Kunstwerke „aus seinen Erlebnissen und Erfahrungen"22 geschaffen. Und Josef
Nadler scheute sich nicht, von Grimmelshausens Roman als „selbsterlebtem Bildungsroman
" zu sprechen und auf ihn das vielsagende Diktum von den „Bruchstücken
einer umfassenden Konfession"23 anzuwenden. Auch die andere, bei
Goethe entliehene Formulierung, nach der das Werk „Dichtung und Wahrheit"
enthalte, taucht mehrfach auf24. Das Erlebte und Beobachtete25, das „menschlich
Unmittelbare"26, das „wirkliche Menschenleben"27, die „eigne. . . Lebenslage
"28, „das Leben selbst"29 waren demnach Gegenstand der Darstellung. Noch
Newald spricht von der „Wiedergabe des Erlebten"30, und Burger lobt „die große
Plastik der Darstellung"31.

Die im Roman genannten Ortsnamen und Zeitangaben, die Landschaftsschilderung
und die Figurendarstellung - sie galten also als Elemente eines Geschehens,
das mehr oder weniger deutlich Grimmelshausens eigenes Leben abbildete und
aus denen sich sein Leben ablesen ließ.

Es ist verständlich, daß von diesem Deutungsansatz her dem im Roman geschilderten
Kriegsgeschehen das besondere Interesse galt. Schon Wachler sah 1822 im
Roman „ein überaus getreues Naturgemälde der Greuel und Schändlichkeiten des
30jährigen Krieges"32. Der Roman, so meinte Bartels, lasse einen Autor erkennen,
den „der Krieg in die Schule genommen"33 hat. Der „Simplicissimus", so heißt
es an anderer Stelle, „schildert die kulturellen Zustände während des Krieges erschöpfend
und farbenreich"34. Die Simplicianischen Schriften, so Nadler, geben
ein „Rundgemälde des ganzen Zeitalters"35. „Kein anderes Buch" rolle „das Gesamtbild
jener Zeit so eingehend, so fortreißend und erschöpfend auf, wie dieser
Roman."36 Noch Martini meint, im Roman sei „die ganze Welt des Krieges. . .
gegenwärtig"37, - und dies alles wird über ein Werk gesagt, das immerhin 20
Jahre nach Kriegsende erschien!

22 Adolf Bartels: Geschichte der deutschen Literatur. Leipzig 1909, S. 232.

23 Nadler, Geschichte der deutschen Literatur, S, 166.

24 Vgl. Könnecke, Quellen, Bd. 1, S. 130, 271, 327 u. a.; vgl. auch Artur Bechtold: Wahrheit und Dichtung
im Simplicissimus. In: Zss. für die Geschichte des Oberrheins. N. F. 30 (1915), S. 384—409.

25 Vgl. Scherer-Walzel: Geschichte der deutschen Literatur. Berlin 31921, S. 295.

26 Paul Fechter: Dichtung der Deutschen. Berlin 1932, S. 240.

27 Bartels, Geschichte der deutschen Literatur, S. 233.

28 Roquette, Geschichte der deutschen Literatur, S. 382.

29 Fechter, Dichtung der Deutschen, S. 234; ähnlich Busse, Grimmelshausen, S. 68: „Grimmelshausens Griffe
ins volle Leben."

30 Helmut de Boor — Richard Newald: Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur
Gegenwart. Bd. 5: Die deutsche Literatur. Vom Späthumanismus zur Empfindsamkeit. 1570—1750.
3., verb. Aufl. München 1960, S. 371.

31 Heinz Otto Burger (Hrsg.): Annalen der deutschen Literatur. — Geschichte der deutschen Literatur von
den Anfängen bis zur Gegenwart. Stuttgart 1952, S. 384.

32 Ludwig Wachler: Vorlesungen über die Geschichte der deutschen Nationalliteratur, o. O. 1818, 2. Bd.,
S. 70 ff. (zitiert nach Herbst, Entwicklung des Grimmelshausenbildes, S. 55).

33 Bartels, Geschichte der deutschen Literatur, S. 232.

•34 Julius Wiegand: Geschichte der deutschen Dichtung. Köln 1922, S. 70.

35 Nadler, Geschichte der deutschen Literatur, S. 166.

36 Roquette, Geschichte der deutschen Literatur, S. 383.

37 Fritz Martini: Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. 10. Aufl. Stuttgart
1960, S. 157.

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