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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
53. Jahresband.1973
Seite: 61
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Die Spekulationen, die sich im Zusammenhang dieses Roman-Verständnisses ergaben
, nahmen mitunter groteske Formen an. So glaubte z. B. Könnecke aus der
Erzählung der Flucht des Simplicius nach Hanau schließen zu dürfen: „Der Tag,
an welchem Simplicius vor den Toren Hanaus eintraf, war der Tag nach der
Überrumpelung Gelnhausens, also der 16. Jan."38 Zeitangaben im Roman werden
also auf „fest datierbare Kriegsereignisse" bezogen, die sich „durch kontrollierende
Nachrechnung" gewinnen lassen39, wie z. B. die Erstürmung von Schloß Braunfels
, die Verbrennung von Staden40, Figuren wie die des Generals Ramsay und
Berichte über Raubzüge und Kroatenhorden gelten als Details des Geschehens,
das sich in der Realität zugetragen hat.

Aber nicht nur das Bild des Krieges, sondern vor allem auch das der Landschaft,
in der Grimmelshausen lebte, soll mit größter Lebendigkeit und Unmittelbarkeit
im „Simplicissimus" und in anderen Werken gegenwärtig sein. Schölte spricht
vom „Lokalkolorit seiner Schauenburgischen Schaffnerzeit"41. Die Gegend, in der
sich das Simplicissimus-Geschehen ereignete, wird bestimmt als der konkrete Raum
„zwischen Spessart und Schwarzwald, Gelnhausen - Hanau und Renchtal - Mooskopf
"42. Immer wieder berief man sich in diesem Zusammenhang auf die bekannte
Landschaftsbeschreibung zu Beginn des VI. Buches der 'Continuatio', die kurz
nach dem Roman erschien( 1669):

„Ich wohnete auff einem hohen Gebürg die Moß genant / so ein stück vom Schwartz-
wald: und überal mit einem finstern Dannen-Wald überwachsen ist / von demselben
hatte ich ein schönes Außsehen gegen Auffgang in das Oppenauer Thal und dessen
Neben-Zincken; gegen Mittag in das Kintzinger Thal und die Graf schafft Geroltzeck
/ alwo dasselbe hohe Schloß zwischen seinen benachbarten Bergen das Ansehen hat /
wie der König in einem auffgesetzten Kegel-Spill; gegen Nidergang kondte ich das
Ober und UnterElsaß übersehen / und gegen Mitternacht der Nidern Marggraffschafft
Baaden zu / den Rheinstrom hinunter; in welcher Gegend die Statt Straßburg mit ihrem
hohen Münster-Thurm gleichsamb wie das Hertz mitten mit einem Leib beschlossen
hervor pranget; mit solchem Außsehen und Betrachtungen so schöner Lands-Gegend
delectirte ich midi mehr als ich eyferig bettete; warzu mir mein Perspectiv dem ich noch
nicht resignirt, treflich anfrischte."43

Hier werden Namen aus der Gegend genannt, in der Grimmelshausen lebte und
wirkte. Doch es gilt zu beachten, daß dies die einzige Lokalschilderung auf fast
600 Seiten ist. Darüber hinaus muß man den Zusammenhang und die Funktion
sehen, die diese Landschaft im Erzählablauf erfüllt. Auf der Höhe des Schwarzwalds
liegt die Einsiedelei, die Simplex am Ende seines Lebensweges wählt, um
die „Begierde der fleischlichen Wollüste oder besser zusagen / Unlüste" abzutöten
und die „tausendfältigen Anfechtungen" zu besiegen44. Im Roman selbst (im Be-

38 Könnecke, Quellen, Bd. 1, S. 159.

39 Könnecke, Quellen, Bd. 1, S. 160 und 162.

40 Könnecke, Quellen, Bd. 1, S. 160, 164.

41 Jan Hendrik Schölte: Der Simplicissimus und sein Dichter. Gesammelte Aufsätze. Tübingen 1950, S. 119.

42 Schölte, Der Simplicissimus, S. 119.

43 Grimmelshausen, Gesammelte Werke, Bd. 1, S. 474.

44 Grimmelshausen, Gesammelte Werke, Bd. 1, S. 473.

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