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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
53. Jahresband.1973
Seite: 64
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immer dann, wenn man geneigt war, bestimmten Vorstellungen wie etwa Volk,
Heimat, Vaterland, Nation besonderen Wert beizulegen, wurden Simplex und
Grimmelshausen zum Inbegriff des Patrioten, des guten Deutschen und leidenschaftlichen
Vaterlandsverteidigers, „teutsch, aufrichtig, ohne Falsch"60. Als „poetischer
, treuer Gesell . . . durchaus kerngesund" und „naturwüchsig"61 erschienen
wechselweise Dichter und Romanheld bei den Romantikern, z. B. bei Eichendorff.
- Der Höhe- und zugleich Endpunkt dieser Grimmelshausen-Deutung liegt in unserem
Jahrhundert, z. T. in der jüngsten Vergangenheit. „Die Deutschen ihrer
selbst bewußt. . . machen"62 war nach Nadler das Ziel von Grimmelshausens
dichterischem Schaffen. Die tiefe Verwurzelung „im heimatlichen Mutterboden"
und „ein gesundes Deutschgefühl" - so Burger noch 1952 - bestimmen ihn und
zeichnen ihn aus63. Grimmelshausen - ein „deutscher Mensch" mit einer
„volksbezogenen Seele" und sein Werk „das Epos des unvergänglichen Deutschtums
", erfüllt vom „unzerstörbaren Glauben an eine deutsche Sendung", „volkhafte
Dichtung", der Held selbst die „Verkörperung (des) deutschen Menschentums
" - dies einige Zitate aus einer Publikation der dreißiger Jahre, die stellvertretend
für viele steht64. 1936 erschien eine szenische Bildfolge mit dem Titel:
„Grimmelshausen. Lebenslauf eines Soldaten, Volksmannes und Dichters." Hier
tritt ein Grimmelshausen auf, der heftig die „ Verwelschung des deutschen Wesens
" verurteilt, den Glauben an das Vaterland fordert und der Jugend Ansporn
ist, „das Reich neu und stolz" aufzubauen65.

Der Einfluß der volkhaft orientierten Grimmelshausen-Forschung war offenbar
so nachhaltig, daß sich selbst die DDR-Literaturgeschichtsschreibung ihrer Wirkung
nicht zu entziehen vermochte. Für die Verfasser der im Verlag ,Volk und
Wissen' erschienenen mehrbändigen Literaturgeschichte war Grimmelshausen
„nach Absicht und Wirkung ein wahrer Dichter des Volkes; wie kein anderer
war er mit seiner deutschen Heimat, ihrem Leben und Schicksal verbunden"66.
Während im einleitenden Absatz der Grimmelshausen-Darstellung Volkstümlichkeit
und Volksverbundenheit des Erzählers im Vordergrund stehen, wird wenige
Seiten später Grimmelshausen zu einem frühen Klassenkämpfer und sein „Sim-
plicissimus" zu einem „realistischen Kolossalgemälde" aus der „Perspektive der
unteren Volksschichten" stilisiert. Aufgrund seiner Parteinahme für das Volk kritisiere
er „schonungslos die unterdrückenden und ausbeutenden Klassen seiner

60 Zitiert nach Herbst, Grimmelshausenbild, S. 15. — Johann Christoph von Haken bezeichnete den „Sim-
plicissimus" 1810 als „ersten deutschen Original-Roman", „in welchem . . . deutsche Sitten und Charaktere
" dargestellt werden (Herbst, S. 38).

61 Joseph von Eichendorff: Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Bd. 8/2: Literarhistorische
Schriften, S. 59.

62 Nadler, Geschichte der deutschen Literatur, S. 165.

63 Burger, Annalen der deutschen Literatur, S. 383.

64 Heinz Steude: Die Wiederentdeckung Grimmelshausens durch die Romantik und ihre deutsche Bedeutung
. Phil. Diss. Würzburg 1939, S. 166, 161, 51, 50, 6, 13, 51.

65 W. E. Oeftering (Engelbert Hegaur): Grimmelshausen. Lebenslauf eines Soldaten, Volksmannes und
Dichters in 1 Auftakt und 3 Bildern. Freiburg 1936 (= Sonderdruck aus dem „Ekkhart-Jahrbuch" 1936),
S. 2, 13, 14.

66 Joachim G. Boeckh u. a.: Geschichte der deutschen Literatur. 1600 bis 1700. Berlin 1962 (Geschichte
der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hrsg. von Klaus Gysi u. a., Bd. 5), S. 447.

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