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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
53. Jahresband.1973
Seite: 67
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Diensten des literarisch sehr interessierten Dr. Küffer erinnert. Hier, auf der
Ullenburg, gab es eine größere Bibliothek und es ist möglich, daß Grimmelshausen
hier vor allem die zeitgenössische Literatur kennenlernte85. Daß Grimmelshausen
zu den Mönchen des Klosters Allerheiligen Verbindung hatte, wissen wir86; möglicherweise
benutzte er auch deren nicht unbedeutende Bibliothek. Weiter darf
vermutet werden, daß ihm seine Verleger - vor allem Felßecker - Bücher zur
Verfügung stellten. Seine Mutter heiratete 1627 in zweiter Ehe den Sohn eines
Frankfurter Buchhändlers, so daß ihm möglicherweise auch über den Stiefvater
Bücher zugänglich gemacht wurden.

Wo immer die Quellen von Grimmelshausens Kenntnissen liegen: die Vorrede des
„Satyrischen Pilgram", in der die Unwissenheit des Verfassers betont wird, ist
- recht gelesen - Zeichen seiner Bildung! Mit dem Hinweis auf seine Unkenntnis
verwendet er nichts anderes als den seit der Antike gebräuchlichen Bescheiden-
heitstopos87; Topisches, d. h. tradiert Formelhaftes, findet sich im Werk Grimmelshausens
sehr häufig. Es bezeugt seine Kenntnis der Überlieferung, aber auch - und
dies ist noch wichtiger - die Tatsache, daß auch für ihn die Anwendung vorgegebener
Formen, Themen, Ausdrucksweisen wichtiger war als das eigene Erlebnis,
der biographische Bezug, die Verschlüsselung des Persönlichen. Persönliches ist im
17. Jahrhundert im Bereich der Literatur uninteressant, Exemplarisches und allgemein
Gültiges allein ist mitteilenswert. Aus dieser die Zeit beherrschenden Auffassung
alles Literarischen und aller Kunst bricht Grimmelshausen nicht aus.

Doch nicht nur Topisches und rhetorische Formelhaftigkeit binden ihn an die
Überlieferung. Es ist gelungen nachzuweisen, daß Grimmelshausen für seinen
„Simplicissimus" eine große Zahl von Vorlagen benutzte. Nicht Originalität, Erfahrung
und Spontaneität gelten im 17. Jahrhundert als Wert, sondern Wissen,
Kenntnis und Gelehrsamkeit. Dies trifft auch für Grimmelshausen zu. Genaue
Untersuchungen lassen darauf schließen, daß er viele Geschichtswerke, Romane
und Kompendien der Zeit kannte, so z.B. die „Piazza Universale" (1619) des
berühmten italienischen Schriftstellers Tommaso Garzoni, in dem nicht nur die
verschiedenen Stände und Berufe behandelt, sondern auch umfassendes Wissen
und Erkenntnisse ausgebreitet werden. Allein im „Simplicissimus" gehen 28 Stellen
auf Garzoni zurück. Eine andere Quelle ist das berühmte „Theatrum Europaeum",
das 1639 erstmals erschien. Neben Eberhard von Wassenbergs „Teutschem Florus"
(1647) ist vor allem Antonio de Guevaras Schrift über „Die Mühseeligkeit des
Hoffsiebens vnd glückseeligkeit deß Land-Lebens" zu nennen, das 1643 zum ersten
Mal in deutscher Sprache herauskam. Höchstwahrscheinlich kannte Grimmelshausen
die meisten Werke des gelehrten spanischen Schriftstellers, der als Hofprediger
Karls V. nicht nur in der katholischen Welt in hohem Ansehen stand.
Aus der Romanliteratur, die Grimmelshausen mit Sicherheit kannte, erwähne
ich nur Mateo Alemän: „Guzman de Alfarache", 1615 von Aegidius Albertinus

85 Vgl. Heining, Die Bildung Grimmelshausens, S. 103.

86 Vgl. Heining, Die Bildung Grimmelshausens, S. 103.

87 Vgl. Heining, Die Bildung Grimmelshausens, S. 52—53, 56.

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