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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
53. Jahresband.1973
Seite: 69
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Sachen, dem besonderen, der Tradition verpflichteten Charakter des Werks - insbesondere
des „Simplicissimus" - und der allgemeinen Auffassung von Dichtung
im 17. Jahrhundert sei hier eine These versucht, die aus den dargelegten Erkenntnissen
die Konsequenzen zieht.

Dabei gehe ich davon aus, daß der Roman im 17. Jahrhundert - und nicht nur
er - Ausdruck der ständischen Gliederung im Staate ist. Die ständische Repräsentanz
der Romane kommt aber nicht nur dadurch zustande, daß sie die hierarchische
Ordnung selbst zum Thema machen. Neben dem höfischen Roman (Opitz,
Lohenstein, Anton Ulrich, Buchholtz), der im Grund zugleich Staatsroman ist,
steht der bürgerliche Roman, wie ihn Grimmelshausen, Beer, Weise und auf seine
Art Moscherosch vertreten. Im höfischen Roman geht es vor allem um Macht,
Geschichte und Selbstdarstellung des Fürsten bzw. des Adels. Er dient der Rechtfertigung
und Propagierung der fürstlichen und obrigkeitlichen Gewalt, freilich
nicht ohne sie an ethische Voraussetzungen zu binden. Ein ganzes Arsenal bestimmter
Tugenden wird dabei aufgeboten, allem voran Tapferkeit, Klugheit,
Gerechtigkeit, Mäßigung und Beständigkeit. Lohenstein geht so weit zu sagen,
„daß es rühmlicher sey, den Adel von der Tugend, als von den Ahnen zu zeh-
len"93. Die adelige und fürstliche Lebensform und der gesellschaftliche Kodex,
der zugleich Ausdruck und Indiz dieser Lebensform ist, sollen mit dem höfischen
Roman, der wie alles Literarische dem Nützlichkeitsprinzip unterworfen ist, verbreitet
, gefestigt und gesichert werden. Die Zweckbestimmung der Literatur orientiert
sich auch im 17. Jahrhundert an ganz konkreten Interessen. So sind auch
die Selbstdarstellung der herrschenden Gesellschaftsschicht und die Vergegenwärtigung
ihres ethischen Ranges im Grunde Mittel, die Herrschaft in ihrer hierarchischen
Abstufung und ständischen Gliederung zu erhalten. Die Welt und die
Werte des neu aufkommenden und sich formierenden Bürgertums spielen daher
in den höfischen Romanen keine Rolle.

So überrascht es nicht, daß neben den höfischen Romanen spezifisch bürgerliche
entstehen. Das Bürgertum des 17. Jahrhunderts negiert die Normen und Wertvorstellungen
des Adels nicht; es ist daher kein Widerspruch, daß z. B. Grimmelshausen
auch sogenannte höfische Romane schreibt; aber es prägt mit der fortschreitenden
Entwicklung seines Selbstverständnisses die Gattung Roman in seinem
Sinn um. Indem das Bürgertum dem höfischen Roman einen bürgerlichen zur
Seite stellt, vergegenwärtigt es die Wert- und Normvorstellungen, die der bürgerlichen
Welt zugrunde liegen. Dabei kommt es nicht darauf an, die Wirklichkeit
der Zeit - Landschaften, Städte, Menschen - so abzubilden wie sie sind, sondern
anhand von Episoden, Gestalten, Ereignissen ein Bild der Welt zu entwerfen, wie
sie sein sollte. Die ganze Skala der Laster und Tugenden wird dabei behandelt
- im „Simplicissimus" vor allem die Laster, mit der Absicht, auf diesem Weg
den Tugenden Geltung zu verschaffen, weil es, wie Grimmelshausen schreibt,
„männiglich lieber gedultet / daß die allgemeine Laster Generaliter durch gehech-

93 Daniel Caspar von Lohenstein: Großmüthiger Feld-Herr Arminius. Leipzig 21731 j S. LX.

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