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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
53. Jahresband.1973
Seite: 172
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1973/0174
Hirtenherz des aufrichtigen Filanders Daraus Zu schälen. Lebe wol Florinden, unter Birken-
Kinden !

Geben aus meinem
Läfherhölzlein :
OberrveißErd.

Dienst/artiger
unterster Schäfers

unfern
Sittewald.

knecht.
Filander.

Aus Versehen aber hatte Quirin Moscherosch diesen Brief ohne das angekündigte
Hochzeitsgedicht und ohne die gleichfalls angekündigte Straßburger Spezifikation
abgesandt. Nachdem er sein Versehen bemerkt hat, schreibt er Birken am 6. Februar
einen kurzen Brief, der die Umstände seines Mißgeschicks schildert und die vergessenen
Beilagen enthält:

Ich kan mir die Rechnung wol machen, daß M. H. H. Palatin, bey Lesung meines legten Schreibens,
sich sehr werde verwundert haben, über mein frisches Versprechen, daß ich meine Rheinländische
Nachfeyer des an der Pegnitz so frölich gehaltenen Hirten= u. Myrtenfestes, damals mitschicke,
neben der Straßburgfischen] Specification; u. aber eines mit dem andern aussen blieben, daran
ist nun niemand schuldig, als der Fuhrmann, so mich beredet, Zu Boderßweyr über nacht Zu
pleiben, aber nicht gehalten, sondern nur eine durchfahrt gehalten, da ich weder einen noch den
andern brieff gar absolvirt gehabt, auch in Schliessung E. Excellenz schreiben das Epitßolanium,
aus Zu grosser übereylung schandlich vergessen, doch hat auch dises übersehen nicht geschadet, sondern
so fern genutet, daß da ich vorhin beyligendes Pocal nur auf papier geschrieben gehabt, seithero auff
die Invention des Birkenblats gekomen, mit der Überschrift:

Aleinen HochgeEhrtesten H. Palatin tt. Gesellschafter samt deßen Herzgeliebten Ehegemahlin,
als meinen Edeln oberhirten u. Hirtinne, frd.f liehst] bittende, mit so schlechten dorf= u. hirten =
geschenck gngl. vor zu Heb Zu nehmen, biß ihro aufwärtiger Schäfer Filander einmal möchte reich
werden. Verhoffe gleichwol, die Selzamkeit dises Birken Meyers werde den werth in etwas ersezen.
Dann in disen winterlichen Schneezeiten Bircken schehlen, macht spize finger, deßwegen auf dz
halbe theil binder den Stuben offen ausmachen müssen, wie neulichst erwehnet, hette ich es trucken
lassen, wann ichs nicht lieber vorher in E. Exell. eigene Censur geben wollen.
Das nach Quirins Worten aus einfältigen dorfreden komponierte Hochzeitsgedicht besteht
aus 24 lateinischen Versen und einer nachfolgenden deutschen Übertragung von 72
Versen, die Quirins Inventio der lateinischen Fassung breit ausmalt. Diese Inventio
beruht formal auf dem damals beliebten Anagramm (auch Letterkehr oder Letterwechsel
genannt)10, das hier darin besteht, daß Birken aus dem Kreis der neun Musen diejenige
als Braut zugesprochen wird, deren Name durch Buchstabenumstellung und Erweiterung
den wirklichen Brautnamen ergibt. Im Gegensatz zu späteren Epochen wurden im
17. Jahrhundert, in dem Gelegenheitsgedichte von Q. Moscheroschs Art einen wesentlichen
Bestandteil literarischer Produktion bildeten11, geistreiche Einfälle und technisches
Raffinement höher bewertet als etwa eine individuelle Aussage. Mögen uns auch heute
der rhetorische und spielerische Grundzug dieser Gedichte künstlich und fremd erscheinen
, die Anleitungen für derart manieristische Gebilde gehörten zum wesentlichen
Bestandteil nahezu jeder barocken Poetik und die Technik ihrer Fertigung zum Besitz
jedes gelehrten Autors12.

10 Über die Technik des Anagramms unterrichtet ausführlich Georg Philipp Harsdorf [er, Poetischer Trichter.
Teil II, Nürnberg 1648, S. 17 ff. (Neudr. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1969).

11 Vgl. zur Bed. der Gelegenheitsdichtung Fritz Strich, Der lyrische Stil des 17. Jahrhunderts. In: Dt. Ba
rockforschung, hrsg. von Richard Alcwyn. Köln 21966, S. 233.

12 Zur Lehrbarkeit der Poesie siehe allg. Joachim Dyck, Ticht-Kunst. Deutsche Barockpoetik und rhetorische
Tradition. Bad Homburg—Berlin—Zürich 1966.

Der Birken-Meyer, von Boderßweyr.

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