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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
53. Jahresband.1973
Seite: 186
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gleitete ihn bis zur Zollstelle und ließ dann den Bücherinspektor Hermann benachrichtigen
, der nach seinem Eintreffen die Bücherballen ordnungsgemäß nach den Artikeln
37, 38 und 39 der Magistratsverordnung visitieren wollte. Die Packen waren aber bereits
in Kehl fertig verschnürt und in Straßburg von den Angestellten der Zollbehörde sofort
plombiert worden. Hermann ließ den Spediteur des Wagens, Herrn von Franck in
Straßburg, benachrichtigen, um eine Kontrolle unter Entfernung der Plomben durchführen
zu können. Franck weigerte sich mit dem Hinweis, daß die Packen ordnungsgemäß
als Transitgut plombiert worden seien und der Zollbegleitschein ihn lediglich zur
Vorlegung der Pakete bei der Chambre Syndicale in Paris verpflichte. Dem Inspektor
blieb nur übrig, ein Protokoll29 anzufertigen. Die Zensoren vermuteten, daß es sich um
die verbotenen Werke Voltaires handelte. Aus dem Begleitschreiben vom 15. April 178630
geht hervor, daß die Zollbehörde erst seit einigen Tagen eine Anweisung erhalten hatte,
die Bücherpacken ohne vorhergehende Visitation durch die Zensur zu plombieren, wobei
ein acquit-ä-caution zur Vorlage der Bücher bei der Chambre Syndicale in Paris anhielt.
Dem Schreiben fügten die Zensoren eine Schrift mit dem Titel „Compte rendu de ce qui
s'est passe au Parlement, relativement ä l'affaire de M. le Cardinal de Ronan 178631 bei.
Man vermutete, daß sie aus der Druckerei von J. G. Müller in Kehl stammte. Da sich
einige Stellen darin befänden, worin der Verfasser sich erlaube, die Regierung zu zensieren
und das Parlament zu Paris eine Veröffentlichung seiner geheimen Enthüllungen
nicht gerne sähe, so habe man sich beeilt, die Einfuhr sowie den Verkauf zu verbieten.
Allerdings wußte man nicht, ob es sich um ein Originalstück oder um einen Nachdruck
handelte. J. G. Müller hatte schon das Jahr zuvor Besorgnisse wegen der französischen
Zensur, denn am 26. März 1785 hatte er in seinem „Oberrheinischen Hinkenden Both"
angezeigt, daß bei ihm die von Beaumarchais genehmigte deutsche Ubersetzung der bei
der „Societe" einzig autorisierten Ausgabe der „Mariage de Figaro" erscheine. Die „Hochzeit
des Figaro" machte Beaumarchais nicht nur in der Literaturgeschichte berühmt32,
sondern war auch ein hochpolitisches Stück33, so daß im März 1785 an die Inspektoren
der Chambre Syndicale und an den Prätor in Straßburg die Mitteilung erging, sie mit
dem Vorwort zu beschlagnahmen34. In einem weiteren Brief vom 13. April 1785 wurde
der Prätor davon unterrichtet, daß sich das Verbot lediglich auf Fälschungen oder Nachahmungen
beziehe35. Schwerwiegender war für Müller ein Nachdruck: „Der tolle Tag;
oder Figaros Hochzeit, ein Lustspiel in 5 Aufzügen nach dem Französischen des
Beaumarchais. 8. Dessau und Leipzig, bei G. J. Göschen, und München, bei Strobl."36
Der dienstliche Eifer des Bücherinspektors Hermann vermittelt uns auch einen Eindruck
über den Umfang der Büchertransporte aus Kehl nach Paris, denn aus einer Aufstellung
über die Wagenladungen, deren Kontrolle Kommissionär von Franck verweigerte37, geht
hervor, daß in der Zeit vom 12. April bis 2. Juni 1786 an neun Tagen 125 Ballen im
Gewicht von rd. 896 Zentnern vom Zoll in Straßburg plombiert wurden. Die Aktivität
der städtischen Zensur in Straßburg ist verständlich, denn man hatte dem Magistrat vorgeworfen
, er dulde den Bücherschmuggel über die Rheinbrücke. Solche Beschuldigungen
wurden, wie Hermann feststellte, ausgerechnet von Leuten erhoben, die wiederum behaupteten
, die Zollbegleitscheine an die Chambre Syndicale oder andere in den verschie-

29 StA St. AA 2357/36.

30 StA St. AA 2357/35.

31 Nach Mitt. von Herrn Ponsing nicht im Faszikel AA 2357 enthalten.

32 Eugene Lintilhac, La Folie Journee ou Le Mariage de Figaro von Beaumarchais, in: Französische Literatur
von Beaumarchais bis Camus, Fischer Bücherei, Interpretationen 6, 1969, S. 30: „Die Erschaffung
der Figaro-Gestalt macht Beaumarchais nach Moliere, dem unvergleichlichen Charakterzeichner, zum
größten französischen Komödiendichter."

33 Die Ortenau 52 (1972), S. 203.

34 StA St. AA 2355/33.

35 StA St. AA 2355/36.

36 Meßkatalog 1785, Ostermesse, S. 96.

37 StA St. AA 2357/34.

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