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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
53. Jahresband.1973
Seite: 212
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Nun weis man, daß nach jener Zeit sich nichts sonderliches zugetragen und die Zeiten
waren sehr gut bis zu der französischen Revolution und Schreckenszeit, welche doch
durch keine Erdbeben verkündigt worden. Am besten ist es, man schreibt den Erdbeben
und allen Himmelszeichen nichts anders zu, als sie würklich sind. Alles hat seine natürliche
Ursache. Gestern war auch eine feurige Erscheinung in der Luft, gleich nach der
Nachtglok. Schon 2 Jahr hatten wir sehr trockene Sommer. Am Neujahrstag 1802 bei
der größten Kälte lief der Rhein und die Kinzig aus und brachen über die Bodersweierer
Strase. Jezt sind alle Waßer sehr klein und regnet fast gar nicht, Deswegen können
allerlei Natur Veränderungen möglich seyn, ohne etwas besonderes anzudeuten.

15. Nov. Mordgeschichte.

Sonntags den 8. Augusti hat Hanns Stiedel der junge Burger zu Eckartsweier die Anna
Barbara Urbanin die ledige daselbst, in dem herrschaftlichen Willstetter Wald, wohin
sie sich bestellt hatten, um sich miteinander abzufinden, weil die Urbanin von dem Stiedel
schwanger war, meuchelmörderischerweise mit einem Deichselnagel ums Leben gebracht.
Die Sache wurde ruchbar, und der Stiedel sogleich gefänglich eingezogen. Nach gewöhnlichem
Verhören gestand er alles und wurde zum Strang verurtheilt.

15. Wurde ihm das Unheil bei Amt vorgelesen, sogleich kam Hl. Special Hönig und Hl.
Pfarrer Roos zu ihm und begleiteten denselben in des Wirths David Pfrimmers Haus,
wogleich 6 Wächter angestellt wurden.

16. Kam seine Frau mit ihrem halbjährigen Kind zu ihm, welches ein trauriger Anblik
war. Da der alte Galgen vor mehreren Jahren umgefallen, so machte der herrschaftl.
Zimmermann Jakob Irion von Willstett einen neuen Galgen wieder in Form eines Siebeners
, wozu die Herrschaft das Holz gegeben. Der Wagner Dietrich zu Willstett machte
die Leiter, welche doppelt war. Auf den 16. Abends wurde der Galgen aufgerichtet.

17. Morgens früh lies ich den Schranken auf dem Bühl säubern und einen Tisch hinein
stellen nebst Stühlen. Um 9 Uhr kam der Hl. Adjunct Neßler, der Hl. Regier. Rath
Kappler (beiwohnungsweise) der Hl. Land Commißarius und Amtsschultheis Wezel von
Willstett auf den Bühl mit welchen ich und das Gericht in den Schranken traten. Sogleich
wurde die Toden Glok angefangen zu läuten, worauf die Hl. Geistlichen dem
Armen Sünder bedeutet, daß er nunmehr vor Gericht zu erscheinen habe. Der Schranken
war mit bewaffneten Bürgern besezt. Der Arme Sünder mußte hinten im Schranken auf
einem Schemel sizen. Er erschiene zugleich der Hl. Advokat Wagner von Neufreistett
als peinlicher Ankläger und hielt eine Anklage, worin er die Verbrechen des Stiedels recht
lebhaft schilderte und das peinliche Gericht zu einer recht exemplarischen Strafe aufforderte
. Hl. Advocat Gochmat, als Vertheidiger sagte weiter nichts, als daß der peinlich
Beklagte, nach seiner Erziehung die Größe seiner Verbrechen nicht so wie ein Mann von
beßerer Erziehung hat kennen können und etliche Tage vor der Ermordung ganz betäubt
herum gegangen, mithin auch keine so harte Bestrafung verdienet hätte. Hierauf las Herr
Actuarius Neßler das Urteil von Hochfürstlicher Regierung vor, nach welchem derselbe
mit dem Strang hingerichtet werden soll mit dem ausdrüklichen Befehl, daß ihm dasGenik
nicht gebrochen und das Gemäch nicht zerdrukt werden soll. Nach diesem trat Hl. R.R.
Exter vor und brach den Stab (so weis von thannen Holz gemacht und in der Mitte so
durchgesägt war, daß solcher leicht zu brachen war) warf die zwei Stüke dem Stiedel vor
die Füße. Alsbald traten die Scharfrichter vor und nachdem der Thurmbott Michel Knapp
die Kette abgenommen hatte, banden sie den Stiedel mit einem Seil die Arme zusammen,
und so ging es auf dem Wagen, auf welchem vornen 2 Scharfrichter saßen, der Stiedel
sas rükwärts gegen die 2 gemelte Hl. Geistliche, die ihm zusprachen. Hinten sas der Turm-
bott Knapp, der noch eine Bouteille roten Wein hatte, wenn allenfalls der Malificant noch
trinken wollte. Sofort fuhr der Hanns Moschberger ganz langsam, während die Armensünder
Glok noch geläutet, aus dem Dorf, ich ritt vorher und die Gerichtsleute giengen
mit, die Hl. Beamten vorhero schon die bewafneten Bürger bederseits dem Wagen. — Viele

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