Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
54. Jahresband.1974
Seite: 129
(PDF, 59 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1974/0131
Hirtsen" angelegte Apotheke, die später den Namen Hirsch-Apotheke
erhielt.19 Die auffallende Bevorzugung dieses Apothekennamens — nach
dem Reichsapothekenregister von 1937 insgesamt 239 mal — läßt aber
noch auf eine andere Benennungsmotivik schließen. Auf Grund gewisser
symbolischer Vorstellungen erschien der Hirsch als Wahrzeichen für die
Apotheke besonders geeignet.

Wenn sich in prähistorischen Gräbern Hirschgeweihe als Grabbeigabe
nachweisen lassen, dann sind sie schon zu jener Zeit mit dem Gedanken
einer Erneuerung des Lebens verknüpft. Wir haben in einer eigenen
Arbeit den Nachweis geführt, wie vertraut dem naturverbundenen
Menschen früherer Zeiten eine Analogie zwischen dem abgeworfenen
und wieder nachwachsenden Geweih einerseits und Fruchtbarkeit und
Leben auf der anderen Seite war.20 Die Edda weiß von einem mythischen
Hirsch zu erzählen, der von dem Laub der Weltesche Yggdrasil frißt; von
seinem Geweih tropft es in ein Becken, und da kommen alle Quellen her.
Vom alten Persien bis in die europäische Volkskunst hinein sind Darstellungen
bekannt, wie Hirsche vom Lebensbaum äsen oder aus einer
Quelle Lebenswasser zu sich nehmen. In antiken Naturkunden wird
berichtet, daß der Hirsch die Schlangen aufspürt, sie durch seinen Atem
heraustreibt, niederstampft und verzehrt. Wenn dann das Schlangengift
in ihm einen brennenden Durst hervorruft, eilt er zu einer Quelle und
vereitelt durch Wassertrinken die gefährlichen Folgen. Das Verlangen
nach Wasser als Lebenselixier wird in einem Psalm des Alten Testaments
zu einem sprechenden Bild für das Verlangen nach himmlischem, ewigem
Leben: „Wie der Hirsch nach Wasserbächen verlangt, so lechzt meine
Seele nach dir, o Gott" (Ps 42/43, 2).

Als Symbol des Lichtes und des Göttlichen — beide Bedeutungen fallen
in der Hirscherscheinung des Jägers Hubertus zusammen — vermag das
Tier Übel und Krankheit abzuwehren. Um das Jahr 1551 wurden auf
den Turmspitzen des Wiener Stephansdomes Hirschgeweihe „wider das
Einschlagen des Donners" aufgesetzt. In den Alpenländern werden die
Klauen als Amulett getragen, während Talg, Blut und Horn bis in unser
Jahrhundert herein in der Volksmedizin Verwendung finden. Das
Gebäude der Offenburger Hirschapotheke wurde 1698 als eines der
ersten nach der Zerstörung der Stadt wieder aufgebaut; wann die
Apotheke hier eröffnet wurde, ist allerdings nicht mehr bekannt. Die
1898 von Eduard Stritt angefertigten Ornamente und Bilder auf der
Giebelseite enthalten als Hauptaussage das Haupt des dem hl. Hubertus

19 Hermann Schelenz: Geschichte der Pharmacie. Hildesheim 1962, S. 372.

20 Manfred Lurker: Zur Symbolbedeutung von Horn und Geweih (Symbolon. Jahrbuch für wissenschaftl.
Symbolforschung. N. F. 2/1974).

129


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1974/0131