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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
54. Jahresband.1974
Seite: 295
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ihre oft unkritische, betuliche Pflege. Diese Art von lokaler Geschichtsbetrachtung
nennt Beeck „Dröppelmannhistorie". Er sieht sie programmatisch von
Eduard Spranger vertreten, dessen Aufsatz „Der Bildungswert der Heimatkunde
" (erstmals 1923 erschienen, 6. Auflage 1964) ein Heimatverständnis entwickelte
, die die „Dröppelmannhistorie" geradezu herausfordere. Spranger verliere
sich, so Beeck, in eine nicht mehr rationalisierbare Natur-und-Boden-
Mystik, die jedes kritische Geschichtsverständnis, welches auch für die lokalgeschichtliche
Analyse notwendig sei, unmöglich mache.

Sehr überzeugend weist Beeck nach, daß die weit verbreitete Vorstellung, Geschichte
kleiner historischer Räume sei anschaulicher als diejenige umfassender
historischer Räume, unrichtig sei. Lokalgeschichtliche Objekte seien nicht weniger
kompliziert und abstrakt als die Geschichte umfassender historischer Räume.
Sie müßten genauso differenziert erfaßt und behandelt werden wie diese, falls
man ihnen gerecht werden wolle.

Während Karl-Ernst Jeismann in einem Kapitel den Stellenwert der Landesgeschichte
im heutigen Geschichtsunterricht untersucht und dabei zu deprimierenden
Ergebnissen kommt, stellt Karl-Hermann Beeck in einem weitere Kapitel
Kriterien für landesgeschichtlichen Unterricht auf. Er betont, daß sich Landesgeschichte
als geschichtliche Landeskunde nicht mit einer speziellen Erscheinungsform
menschlichen Verhaltens in der Welt beschäftigen dürfe, sie sei eben nicht
nur Verfassungsgeschichte oder politische Geschichte oder Wirtschaftsgeschichte
oder Kulturgeschichte, ihr komme es vielmehr auf eine allseitige Erfassung
aller Lebensbezüge des Menschen in einem historischen Raum an. Das Ergebnis
müsse eine Zusammenschau aller Einzelaspekte zu einer Gesamtansicht sein. Indem
Beeck dann auf die inhaltliche Bestimmung der Landesgeschichte für die
einzelnen historischen Epochen eingeht, gibt er wertvolle Anregungen für den
Geschichtsunterricht. Er stellt dabei fest, daß besonders die Geschichte des Mittelalters
aus sorgsamer landesgeschichtlicher Untersuchung nicht nur wesentliche
Korrekturen im Sinne einer Ergänzung, Vervollständigung sowie Abrun-
dung erfahren habe, sondern geradezu solche, die unser Bild vom Mittelalter
in allgemeinen und entscheidenden Zügen geändert hätten, zumal von der Ver-
fassungs-, Sozial- und Kulturgeschichte her. Denn mittelalterliches Leben und
mittelalterliche Welt können nach Beeck zum größten Teil nur in der kleinen
lokalen Einheit erfaßt werden. So sei Landesgeschichte im Mittelalter nicht nur
eine Helferin der allgemeinen Geschichte, sondern weithin mit ihr identisch.

Einen großen Mangel sieht Beeck in der Tatsache, daß landesgeschichtliche
Forschungen, die Themen des 19. und 20. Jahrhunderts behandeln, vergleichsweise
spärlich vorhanden sind. Er kritisiert, daß in vielen Geschichtsvereinen
häufig die Ansicht vertreten wird, die Geschichte höre um 1800 auf. Unter lokalgeschichtlichem
Aspekt seien beispielsweise kaum die industrielle Evolution,
die Konstituierung industrieeller Gesellschaftsordnungen, die Entwicklung sozialer
Prozesse sowie die Geschichte und Wirkung der Parteien untersucht worden
. Wichtig für die lokalgeschichtliche Forschung sei es, in der neueren Geschichte
vor allem die Weltanschauung des einfachen Mannes zu untersuchen,
denn sie erwachse im engen lokalen Kreise seiner unmittelbaren Umwelt,
„von Faktoren seines beruflichen Alltags, den Vergnügungen seiner Freizeit,
dem Einfluß seiner religiösen Übungen so gut bestimmt wie von dem, was er
liest, hört, sieht, ertragen muß, was Lehrer, Pastor, Festredner und politischer
Führer an ihn herantragen. Insofern haben die kleinsten Lebenskreise, mögen
sie auch an landmannschaftlicher Besonderheit weitgehend verloren haben, an
historischer Bedeutung und damit an historischem Interesse nichts eingebüßt,

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