Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 519,m
Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
55. Jahresband.1975
Seite: 127
(PDF, 62 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1975/0133
von Offizieren geschlagen, andere eingesperrt oder beraubt. In Kappel schlugen
Soldaten von Ronan einen Elsässer fast tot, wenn sich der Wirt nicht seiner
angenommen hätte •". Am 9. Oktober weilte der Gastwirt Kühner der „Stadt
Wien" von Straßburg in Oberkirch, um mit dem dort wohnenden Geistlichen des
Klosters Allerheiligen Geschäfte abzuschließen. Er wurde von Soldaten des
Regiments Berwick erkannt und unter dem Vorwand, daß er Kapitän der
Nationalgarde und Klubmitglied sei, mit Schlägen mißhandelt, wie man es
überhaupt auf Nationalgardisten abgesehen hatte 68.

Die Beschwerden des Straßburger Bürgermeisters waren also keineswegs unbegründet
. Bei den ersten Meldungen von der Flucht des Königs, die in Straßburg
erst am 23. Juni eintrafen, verstärkte sich die Tätigkeit dieser Emissäre,
zumal man in Ettenheim trotz der widersprüchlichen Gerüchte nur der erhofften
Nachricht Glauben schenkte.

Am Nachmittag des 23. Juni begaben sich drei Soldaten des Mirabeauschen
Korps in Uniform (!) auf die Rheinbrücke zur französischen Wache, um sie anzuwerben
. Nachdem mehrere Soldaten herbeieilten, verließen die Condeer die
Brücke. In Karlsruhe reagierte man sofort und nicht eben freundlich auf diesen
Bericht aus Kehl. Das Amt habe nicht wohl daran getan, die drei Soldaten nicht
verhaftet zu haben, da ihm hätte bekannt sein müssen, daß eine derartige
unerlaubte Werbung nicht geduldet werde. Das Amt solle künftig genauer zu
Werk gehen und derlei Unfug nicht ungehindert hingehen lassen. In Kehl war
fast die ganze Bürgschaft beunruhigt, weil auch viele Straßburger darüber
aufgebracht waren, daß Angehörige des Mirabeauschen Korps, teils in Uniform,
teils in Bürgerkleidung mit Kokarden auf den Hüten, ungeniert herumgehen
konnten; es waren etwa acht bis zehn außer dem Maire Herrenberger aus
Schlettstadt samt dessen Anhang 59.

In Ettenheim erwachten indessen die Emigranten recht grausam aus ihrem
Traum, dem sie während des ganzen 23. Juni nachgehangen waren. An jenem
Tag hatte vom frühen Morgen an, da die Nachricht von der angeblich gelungenen
Flucht der königlichen Familie nach Brüssel eingetroffen war, eitel Freude
geherrscht. Als dann nachts um 11 Uhr die Hiobsbotschaft von der Verhaftung
eintraf, war die Enttäuschung groß, und ein Festessen, das man für den Abend
des 25. in Kappel angesagt hatte, wurde abbestellt. In Straßburg machte der
Maire Dietrich der Ungewißheit ein Ende, indem er am 24. Juni vormittags
11 Uhr der Öffentlichkeit bekanntgab, daß der König nach dem Bericht eines
Kuriers aus Metz am 22. Juni nachmittags nach Chälons-sur-Marne unter Begleitung
einer großen Anzahl von Nationalgardisten zurückgeführt worden sei.
Unter Verschweigung des wahren Sachverhaltes wurde in diesem „Avis impor-
tant au public" die Mär verbreitet, daß das Komplott der Vaterlandsfeinde zur
„Entführung" des Königs gescheitert sei. Um neue Versuche zu verhindern,
habe man ihm eine Verstärkung von sechstausend Mann als Eskorte nach
Paris beigegeben. In Kehl rückte Anfang Juli fürsorglich ein Kommando unter
Oberleutnant von Stetten ein; im Unterelsaß übernahm General Luckner anstelle
des emigrierten Generals Gelb das Kommando 60.

In Ettenheim hatte sich die Legion durch laufende Transporte aus Basel auf
über 1800 Mann vermehrt; insgesamt sollte das Korps auf 4000 Mann gebracht
werden. Die mißglückte Flucht des Königs hatte offenbar keine entscheidende
Auswirkungen: „Es scheint also, daß der Graf Artois, der Prinz Conde und der
Herr Kardinal ihre Neigung, damit eine Konterrevolution zu bewirken, nicht
aufgegeben haben, allgemein ist man daher in hiesigen Gegenden in großen
Sorgen", berichtete das OA Mahlberg am 2. Juli. Aber die Wut und die An-

127


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1975/0133