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Die Ortenau: Zeitschrift des Historischen Vereins für Mittelbaden
55. Jahresband.1975
Seite: 222
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Mark Twain auf den Spuren der Markgräfin
Ein Einblick ins Barock

Von Johannes Werner

Eine seiner Reisen durch das alte Europa führte den amerikanischen
Schriftsteller Samuel Langhorne Clemens, besser bekannt unter dem Namen
Mark Twain, auch nach Baden-Baden; und eine seiner Wanderungen,
die er von dort aus unternahm, auch zu einem denkwürdigen Zeugnis des
frühen 18. Jahrhunderts, dem Schloß Favorite bei Kuppenheim. Gab dieses
schon an sich dem Reisenden genug Anlaß zu kopfschüttelnder Verwunderung
, so war er doch am meisten fasziniert (und das heißt hier zugleich
angezogen und abgestoßen), als er ein unscheinbares Nebengebäude
gewahrte: die achteckige, kuppelgedeckte, mit Baumrinde verkleidete
Eremitage der Erbauerin, Markgräfin Franziska Sibylla Augusta von
Baden, geborene Prinzessin von Sachsen-Lauenburg, Engern und Westfalen
. Doch sein Bericht (der im Jahre 1880 erstmals erschien) möge selber
sprechen:

„Ein paar Dutzend Yard vom Schloß entfernt steht im Park die Kapelle
der Markgräfin, gerade so, wie diese sie hinterlassen hat — ein rohes,
hölzernes Bauwerk ohne jede Verzierung. Es heißt, die Markgräfin habe
sich immer mehrere Monate hintereinander der Ausschweifung und einem
äußerst lockeren Lebenswandel ergeben, sich dann in diese elende Holzhütte
zurückgezogen und ein paar Monate damit verbracht, zu bereuen
und sich auf die nächste Vergnügungszeit vorzubereiten. Sie war eine
fromme Katholikin und vielleicht eine ganz musterhafte Christin, so wie
damals in den oberen Schichten die Christen beschaffen waren.

Wie die Überlieferung sagt, hat sie die letzten zwei Jahre ihres Lebens
in der seltsamen Höhle verbracht, von der ich eben sprach, und zwar,
nachdem sie sich eine abschließende, triumphale und gründliche Orgie
gegönnt hatte. Sie schloß sich dort ohne Gesellschaft und sogar ohne Dienerin
ein, und so entsagte sie der Welt und gab sie auf. Sie kochte selbst
in der winzigen Küche; sie trug ein härenes Hemd direkt auf der Haut
und geißelte sich mit Peitschen — diese Hilfsmittel zur Erlangung der
göttlichen Gnade sind noch heute dort ausgestellt. In einem anderen klei-

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