Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1976/0063
Moderne Graphik zu Grimmelshausens Simplicissimus und
Courasche — Illustration und Interpretation

Von Gisela Noehles

Nur eine Figur der deutschen Dichtung ist im Bewußtsein breiter Schichten
mit einer allgemeinverbindlichen Bildvorstellung verbunden lebendig
geblieben. Es ist die Gestalt eines sympathischen Narren, nicht die des
Simplicius Simplicissimus, sondern des norddeutschen Possenreißers Till
Eulenspiegel aus dem 1515 erschienenen Volksbuch.

Spanien hat eine literarische Symbolfigur mit vergleichbar festliegender
Bildtradition im Don Quijote, dessen Geschichte Cervantes 1605 veröffentlichte
.

Daß der Simplicius Simplicissimus für die Deutschen nicht auch zu einer
im Allgemeinbewußtsein bildhaft lebendigen Gestalt geworden ist — dieses
wäre durchaus vorstellbar —, hat vielfache Gründe. Eine der Ursachen
liegt bei Grimmelshausen selbst: er beschreibt seinen Helden nicht, sondern
er läßt ihn reden, in Ichform seine Erlebnisse über einen langen
Zeitraum von frühester Jugend bis ins hohe Alter hinein berichten. Er
hat keine unwandelbaren Eigenheiten und unverwechselbaren Attribute,
wir kennen kaum Merkmale seines Äußeren. Sein Aussehen, seine Kleidung
in den wechselnden Lebensstationen werden von ihm nur erwähnt,
wenn sie für die Reaktion der Umwelt auf seine Person mitverantwortlich
und damit aufschlußreich sind.1 Der weitaus größere Teil des Romans
gibt Handlungen, Gespräche und Gedanken wieder. Beschreibungen vom
Ansehen — um ein Wort Grimmelshausens zu verwenden 2 — von Natur,
Landschaft, Umwelt und Personen dienen nicht der Wiedergabe detaillierter
optischer Eindrücke, sondern beschränken sich meist auf Angaben,
die für das Verständnis der Erlebnisse und Empfindungen des erzählten
Ichs genügen.

Darin liegt eine wesentliche Schwierigkeit für jede bildliche Darstellung
des Simplicissimus. Die zeitgenössischen Illustrationen der Werke Grimmelshausens
sind denn auch Wiedergaben einzelner Romanszenen mit
Personen im Zeitkostüm ohne großen künstlerischen Anspruch. Die Darstellungen
erläutern die Schilderungen des Simplicissimus, aber sie heben
ihn nicht als Helden heraus, sie konzentrieren sich nicht auf ihn, sondern
auf seinen Erlebnisraum.3 So trugen auch sie nicht dazu bei, den Deutschen
die Figur des Simplicissimus bildhaft nachhaltig zu vermitteln. Es

61


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1976/0063