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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1976/0066
Knaben vor seiner Begegnung mit dem Einsiedler aus lauter faulen Bäumen
besteht, die ihn furchterregend hin- und hertreiben. Die Bezeichnung
Wald oder wilder Wald genügt Grimmelshausen als Ortsangabe für den
Hintergrund des Geschehens, eine realistisch schildernde Bildkunst dagegen
muß ihn ausführlich darstellen. Klingers Illustrationen gehören dem
19. Jahrhundert an. Landschaftsbezeichnungen wie wilder Wald und Einsamkeit
haben ihre durch die Neoromantik bedingte vorstellungsbildende
Kraft noch nicht verloren.

Bei ihm wird die Waldlandschaft zur Schicksalsbühne, zum unheimlichen,
den Menschen auf sich konzentrierenden Bildelement. Dies entspricht dem
symbolistischen Denken der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Natur ist
nicht nur Hintergrundfolie, sondern mit dem menschlichen Handeln korrespondierender
schicksalträchtiger Schauplatz.

Im Roman wird gerade durch die Icherzählung die kindliche Reaktion des
jungen Simplex beim Tod des Einsiedlers überzeugend und unpathetisch
anschaulich. I. Buch, 12. Kapitel:

Hierauf beschloß er (der Einsiedel) seine Lippen und Augen sänftiglich,
ich aber stund da wie ein Stockfisch und meinte nicht, daß seine liebe
Seel den Leib gar verlassen haben sollte, dieweil ich ihn öfters in dergleichen
Verzückungen gesehen hatte. Ich verharrete, wie mein Gewohnheit
in dergleichen Begebenheiten war, etliche Stund neben dem Grab im
Gebet, als sich aber mein allerliebster Einsiedel nicht mehr aufrichten
wollte, stieg ich zu ihm ins Grab hinunter, und fing an ihn zu schütteln,
zu küssen und zu liebeln, aber da war kein Leben mehr, weil der grimmige
ohnerbittliche Tod den armen Simplicius seiner holden Beiwohnung
beraubt hatte; ich begoß, oder besser zu sagen, ich balsamierte den entseelten
Körper mit meinen Zähren ...

Klinger gelingt eine Übertragung der inhaltlichen Substanz der barocken
Schilderung in eine dem späten 19. Jh. adäquate Bildsprache, obwohl auf
die Wiedergabe der verzweifelten Handlungen des Knaben im Grabe
verzichtet und ein nicht beschriebener Augenblick des erstarrenden Be-
greifens der Unabänderlichkeit des Geschehens fixiert wird. Simplex kniet
betend auf dem Toten.

Hier soll nur kurz auf Klingers thematische Beschränkung auf nur vier
Blätter zum I. Buch des Romans eingegangen werden. Der weitere Handlungsablauf
des Simplicissimus bietet nur noch an wenigen Stellen gleiche
Möglichkeiten zu solch symbolistisch konzentrierter Aussage. Schon der
von Klinger in den zwei letzten Blättern vollzogene Standortwechsel von
relativer Nahsicht auf die Figuren selbst zu der „Fernsicht" auf das
eigentliche Geschehen in den Querformaten zeugt von der Schwierigkeit,
textnah eine symbolistische Szene zu komponieren. Grimmelshausen gibt
in seinem Roman keine „Überschaulandschaft" mit sich darin abspielen-

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