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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1976/0069
Da es taget', füttert ich mich wieder mit Weizen, begab mich zum nächsten
auf Gelnhausen, und fand daselbst die Tor' offen, welche zum Teil verbrennet
, und jedoch noch halber mit Mist verschanzt waren: Ich ging hinein
, konnte aber keines lebendigen Menschen gewahr werden, hingegen
lagen die Gassen hin und her mit Toten überstreut, deren etliche ganz,
etliche bis aufs Hemd ausgezogen waren. Dieser jämmerlich Anblick war
mir ein erschrecklich Spektakul, maßen sich jedermann selbsten wohl einbilden
kann, meine Einfalt konnte nicht ersinnen, was für ein Unglück den
Ort in einen solchen Stand gesetzt haben müßte.

Die Illustrationen sind zwar eng mit dem Erzähltext verbunden und erschließen
sich erst voll durch ihn, stellen aber auch für den Nichtkenner
des Romans eine eindrücklich verständliche Bildaussage zum Krieg und
seinen Greueln dar.

In diesen drei ersten Bildern steigert sich die Nervosität der bildnerischen
Mittel. Im Gelnhausener Erlebnis des jungen Simplex werden sie zu
flüchtigen Realitätsangaben, sie erzeugen die Vision des erschütterten
Knaben, der selbst zwar als geometrischer Mittelpunkt aber so klein erscheint
, daß er sich dem betrachtenden Auge nur langsam zu erkennen
gibt. Er wird nicht als Erlebnisträger deutlich gekennzeichnet, sondern es
werden die ihn beängstigenden Eindrücke veranschaulicht.
Die ersten drei Bilder nehmen aus dem Romanablauf unter Weglassung
der Einsiedlerzeit ein durchgehendes Thema des I. Buches auf: Simplex'
erste Begegnung mit den Greueln des Krieges. Die Erlebnissituation des
Knaben, im Roman aus der Distanz des rückschauenden Erzählers geschildert
, bleibt in den Lithographien textnah enthalten.

Auch Klemms weitere Blätter entsprechen dieser „Berichterstattung". Simplex
selbst erscheint nur selten als dargestellte Person. Die Bilder werden
zu beunruhigenden, momenthaft erscheinenden Visionen. Sie sind durch
scharf zäsierende Schwarz-Weiß-Kontraste, teilweise auf großen Leerflächen
, in zügig bewegten Kompositionselementen gestaltet. Klemms Beschäftigung
mit ostasiatischer Kunst wird spürbar, z. B. in der Einbeziehung
der Leerflächen als Ausdrucksmittel in der Magdeburger Jungfernentkleidung
(Abb. 2). Seine Studien auf dem Gebiet der Landschaftsmalerei
im Dachauer Moor finden ihren Niederschlag etwa in der Szene vor
den Toren von Hanau, wo Simplicius von den Kroaten geraubt wird.15
Der Titel der Klemmschen Mappe könnte statt Simplicius Simplicissimus
auch lauten „Kriegserlebnisse und -impressionen des Simplicissimus".
Einen völlig anderen Charakter haben die Illustrationen Erich Erlers
zum Simplicissimus. Seine Beschäftigung mit dem Werk reicht wahrscheinlich
auch in die Zeit des 1. Weltkrieges zurück, publiziert wurden
sie erst 1921 von Hanfstängl, der eine komplette Textausgabe geplant
hatte. Sie kam nur als Fragment zustande: die Erlerschen Radierungen
mit dem gegenübergestellten Textabdruck als buchförmige Mappe.16

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