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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1976/0081
Das unheimlich Erschreckende an der fratzenhaften Verzerrung der We-
berschen Gesichter liegt jedoch in ihrer sich bei längerem Betrachten erschließenden
psychologischen Wahrheit: Angst, Entsetzen, Gier und Leidenschaften
sprechen aus ihnen (Abb. 23—26). Weber illustriert nicht, um
in Bildern zu plaudern, uns den Romaninhalt wiederzuerzählen, er deckt
das Zerrbild einer verblendeten Menschheit auf, die in diesem Roman
geschildert wird, was im 19. Jahrhundert noch als jugendgefährdend angesehen
wurde.26

Leidenschaftlich, selbst erregt prangert Weber mit seinem Zeichenstift die
selbstverschuldeten Leiden und Ängste der Menschen an. Das historische
Kostüm der Romanfiguren ist sparsam angedeutet, aber es wird nebensächlich
, ja fällt dem Auge kaum auf, weil alle Aufmerksamkeit auf Haltung
und Gesichtsausdruck der Personen gelenkt ist.

Weber stellt seinen Illustrationen als Titelbild eine Umgestaltung des alten
Titelkupfers des Simplicissimus Teutsch voran (Abb. 27). Der neutrale
Hintergrund ist durch eine unruhige nahezu unentzifferbare Weltlandschaft
wie durch einen Teppich ersetzt. Die Masken am Boden sind vielfach
vermehrt; die Proportionen des Monstrums verändert, entengleich
steht es mit geknickten Beinen nahe am Boden, der Fischschwanz endet
in einer Riesenblüte, der Kopf, tief auf den Schultern sitzend, schmiegt
sich an das Buch, an dem vorbei seine Augen fast schalkhaft dem Betrachter
zuzwinkern. Trotz der Hörnchen und überlangen Ohren ein menschlich
individueller Kopf, im Gegensatz zu allen Gesichtern auf den anderen
Illustrationen Webers unverzerrt, nach eigenen Aussagen ein Selbstporträt
. Auch und gerade darin kommt Webers Engagement als Illustrator
zum Ausdruck. Er persönlich will mit dem lesenden Betrachter durch
seine Bilder Kontakt aufnehmen, mit ihm über den Roman und seine für
ihn wichtigen Aussagen ins Gespräch kommen. Er bedient sich als erster
moderner Illustrator Grimmelshausens des alten Titelkupfermotivs, das —
mindestens vor der diesjährigen großen Gedächtnisausstellung — nur wenigen
bekannt war und dessen barocke Bedeutungsinhalte Weber nicht
klar gewesen sein können; bemüht sich die Wissenschaft doch erst in den
letzten Jahren mit Erfolg um seine Enträtselung.27 Er vermochte jedoch
als sensibler Künstler, der in seinem Werk immer mehr als die Oberfläche
der Dinge wiederzugeben bemüht ist, den allgemeinen Mahnruf des Satirikers
Grimmelshausen in dieser Uminterpretation der barocken Bildallegorie
des Titelkupfers zu erfassen. Es gelang ihm damit eine die Anliegen
des Dichters unterstützende und betonende Aussage im Bilde wie kaum
einem anderen Illustrator Grimmelshausens vor ihm.

Der Doppeltitel der dem Dichter zu seinem 300. Todestag gewidmeten
Ausstellung Simplicius Simplicissimus — Grimmelshausen und seine
Zeit28 spiegelt unser heutiges Verhältnis zu ihm und seinem Werk, sowohl
das des Lesepublikums wie das der germanistischen Forschung. Der Ro-

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