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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1976/0085
Geometrie der Macht - Der barocke Plan von Rastatt

Von Johannes Werner

„So und nicht anders! sagt die Geometrie
. So und nicht irgendwie!"
Max Frisch, Don Juan oder Die
Liebe zur Geometrie

Das Antithetische und das Theatralische — dies sind zweifellos die Züge,
die in der Physiognomie des Barock aufs auffälligste hervortreten.1 Ein
anderer aber steht an Bedeutung nicht hinter ihnen zurück: gemeint ist
hier das Geometrische, und zwar als Ausdruck der Macht, der sich ja die
große, die feudale Kunst der Epoche überhaupt erst verdankt.

Zunächst mag es freilich befremden, daß ein dem naiven Blick so ungeregelt
wuchernd, quellend und schäumend erscheinender Stil wie der
barocke mit dem mathematischen Kalkül zusammengebracht werden, ja
sogar aus ihm hervorgegangen sein soll; es ist nichtsdestoweniger wahr.
„Einen einzigen barocken Plan sehen heißt für alle Zeit wissen, daß der
am kecksten ausschweifende Stil, den es gibt, aus mathematischen Überlegungen
hervorgeht." 2 Noch die geringsten und abseitigsten Details eben
des Barock, so lehrt ein Blick in seine Werkstatt, haben ihren Ursprung
im messenden und rechnenden Umgang mit Zirkel und Lineal.

Nicht von ungefähr hat man dieses Zeitalter das cartesianische genannt:
nach Descartes, dem Philosophen, Naturforscher und Mathematiker; nach
dem Begründer der analytischen Geometrie, die jede ebene Kurve als
Gleichung zu formulieren erlaubte, deren Hauptbestandteile aus zwei
veränderlichen Größen, den Koordinaten, gebildet sind. Das Koordinatenkreuz
als ein der realen Welt aufgezwungenes Ordnungssystem ist die
Erfindung, in der das Wesen des Barock vielleicht am reinsten sich ausspricht
. 3

„Der König ist der (...) Mittelpunkt des irdischen Koordinatennetzes: an
ihm hat sich alles zu orientieren". 4 Dies gilt für Ludwig XIV. und Versailles
; dann aber für alle die deutschen Fürsten, die ihn und es sich zum
Vorbild nahmen. Und die Pläne ihrer Gründungen sind sämtlich symbolische
Gestaltungen ihrer absolutistischen Politik; Gesellschafts- und
Kunstform, Soziologie und Ästhetik treten hier in den engsten Zusammenhang
.

Der Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden, der sogenannte Türkenlouis,
war von jenen Fürsten nicht nur einer, sondern der erste; seine Stadt

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