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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1976/0090
Hinter dem Schloß liegt der Park, ein der bürgerlichen Betriebsamkeit
ostentativ abgewandter und den Bürgern stets verschlossener Ort adeliger
Lustbarkeit. Er ist so der Stadt entgegengesetzt und doch wie sie der
Geometrie unterworfen; sämtliche Pläne halten daran fest, daß beiderseits
einer Haupt- und Symmetrieachse (welche die der Stadt genau fortsetzt
) Blumen, Hecken, Bäume, Brunnen in strenger Komposition sich
entsprechen sollten; wobei dieser natürliche so gut wie jener menschliche
Bereich dem Diktat von Zirkel und Lineal gehorcht. Auf der freien Fläche
in hochgemuter Gottesebenbildlichkeit ein Paradies und Ebenbild der
Schöpfung hervorzubringen, war dem Markgrafen kein Einsatz zu hoch:
der erste Anschlag sah die Anschaffung von allein 143 000 Bäumen vor,
alles andere noch unberechnet. 14 Und es ist nicht ohne tiefere Bedeutung
für den hier wirkenden Geist, daß zunächst Buchsbaum und Zwergobst
bestellt wurden 15 — beides willige Gewächse, die der planenden Hand
den wenigsten Widerstand leisteten. Beiläufig sei auf ein mutmaßliches,
ebenso maßloses Vorbild für Rastatt verwiesen: als solches dürfte
Schlackenwerth gedient haben, der Markgräfin reiches mütterliches Erbe,
mit seinem vielgerühmten Lustgarten, auf den (wie Merian, der ihn abbildete
, beeindruckt bemerkte) „in die sechzigtausend Reichstaler sollen
verwendet worden sein".16

Die Gründung an sich und mehr noch die Form, die sie fand, steht als
Symbol für jene Idee absolutistischer Herrschaft ein. Das macht erstens
die beherrschende Position des Schlosses und die sinnreiche Konstellation,
in die es mit den übrigen Bauten der Stadt tritt; zweitens aber das beherrschende
Prinzip des Plans: die Geometrie. Diese geometrische Form,
welche Stadt und Park, Mensch und Natur sich unterwirft, ist Ausdruck
des souveränen Willens; Ausdruck der Macht, der Ordnung und Verordnung
, der Regel und des Reglements. Nichts darf so sein, wie es etwa
selber sein möchte, sondern alles muß begradigt und beschnitten werden;
ob Straße oder Allee, ob Haus oder Baum. Das Natürliche, Organische
wurde in Fesseln gelegt — Begriffe, die die bürgerliche Opposition des
18. Jahrhunderts dann auf ihre Fahnen schreiben sollte.17

Eine andere Idee des barocken Absolutismus, die in seiner gesamten
Kunst18 und so auch im Rastatter Plan Form gewinnt, ist — drittens —
die der Unendlichkeit oder Unbegrenztheit (oder, um es ganz deutlich zu
machen, eben der Absolutheit). Durch das Haupttor dieses Schlosses führt
eine schnurgerade, mit dem Lineal gezogene Straßenachse einerseits zur
badischen Residenz Ettlingen, andererseits zum französischen Fort Louis.19
Abgesehen davon, daß dies auch die Konfrontation zwischen Ludwig
Wilhelm und Ludwig XIV. mitbedeuten soll, im genauen Sinn des Die-
Stirn-Bietens: es soll zuvörderst den freien, ungehemmten Blick ins Weite
erlauben und damit die Suggestion von Macht, die weiter als das Auge
reicht. Und auch dies fügt sich dem mathematischen Zug im Barock: „Es

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