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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1976/0152
Das ikonographische Thema der Darstellung im Mosaik ist trotz starker Reduzierung
eindeutig ablesbar. Auf der linken Seite waren Kain und Abel mit
erhobenen Opfergaben dargestellt. Vom tiefer stehenden Kain ist nur der Oberkörper
mit Kopf und Ährengarbe erhalten, von Abel die Füße, Beine und ein
Teil des Rockes. Auf der rechten Seite des Medaillons ist der Brudermord dargestellt
; die Oberkörper sind hier bei beiden Gestalten erhalten, die Gesichter
recht eindrucksvoll. Es ist schwer zu entscheiden, ob die aus roten Steinen
bestehende Kopfbedeckung in gleicher Art bei allen drei Figuren eine Kappe
darstellt, oder einen roten Haarschopf. Die Steinstifte des Mosaiks sind gespaltene
Kiesel und Rotsandstein mit Karneolstein vermischt, sie stammen aus der
hiesigen Landschaft;15 das Material wurde also hier gefertigt. Die roten Steine
sind sparsam verwendet, außer in den Kappen und einer Priesterstola finden
wir sie nur in dem Band, mit welchem die Ähren umschnürt sind, und in dem
Band, das die Hosen des opfernden Abels umwickelt. Solche umwickelten Hosen
kennen wir von der Tracht Karls des Großen, auch von der Bronzesäule des
hl. Bernward in Hildesheim; im hohen Mittelalter sind sie allgemein üblich.16
Dem Betrachter sind die besonders dunklen Augen-Steine auffällig. Sie sind
geschliffen und wirken dal er lebendiger. So erinnern sie lebhaft an manche
Gestalten ottonischer Buchmalerei.17 Der ottonische Charakter ist trotz der
wenigen erhaltenen Fragmente unverkennbar.18 Ein Stilvergleich vor allem mit
den Werken, die Heinrich II. auf der Reichenau für Bamberg fertigen ließ,
macht das deutlich. Es sind dies das Perikopenbuch Heinrichs, das um 1010 entstanden
ist (München, Staatsbibliothek, clm 4452), die Bamberger Apokalypse,
etwa um 1020 entstanden (Bamberg, Staatsbibliothek, Ms. Bibl. 140). Dienlich
ist auch der Vergleich mit dem Evangeliar Otto III., das gleichfalls auf der
Reichenau gefertigt wurde. Man ist versucht, die Künstler der Reichenau in den
Kreis der möglichen Schöpfer des Mosaiks in Schuttern zu ziehen, doch ist zu
bedenken, daß ein Zeit-Stil durchgängig ist und verwandte Formen spontan
und gleichzeitig an verschiedenen Orten in Erscheinung treten. Die handwerkliche
Leistung der Übersetzung von Malerei — Fresken oder Buchmalerei —
beruht auf Tradition; ohne längere Einübung wird ein Maler nicht die komplizierte
Technik des Stiftmosaiks beherrschen. Formal ist Kains Ährenbund mit
dem aufliegenden Daumen ein Spiegelbild der Darstellung auf Bernwards
Bronzetür in Hildesheim. Das ikonographisch gleiche Motiv findet sich nicht
weit von Schuttern und auch zeitlich nahe in der Glöcklehofkapelle zu Oberkrozingen
im Breisgau.19 Die Antiqua-Versalien der umlaufenden Schrift zeigen
nachstehenden, fragmentarischen Text: — VNERA . ABEL . EXTENDIT .
DEVS —, auf der linken Seite; rechts: — C • IRATVS • CHAIN • OC —. Zeittypisch
ist der stete Wechsel von geraden und runden „E". Es wird versucht
werden, die vielen Bruchstücke des Mosaiks dem Ganzen wieder einzuordnen,
doch sind nur geringfügige Ergänzungen zu erwarten; allzuviel ist verschleppt.
Eine genauere Einordnung des Reliquienbehälters könnte sich ergeben, auch
Textergänzungen sind noch möglich, wenn eine gründliche Sichtung der geborgenen
Fragmente vorgenommen wird. 2»

Die Frage nach der Herkunft des seltenen Fundes stellt sich nicht nur Historikern
und Kunstgelehrten; eine breite Öffentlichkeit ist daran interessiert. Ein
ottonisches Stiftmosaik ist so außergewöhnlich, daß wegen dieser frühen Datierung
starke Bedenken und Zweifel von Seiten der Fachwelt zu erwarten
waren. Um keiner Selbsttäuschung zu erliegen, mußte eine einwandfreie archäologische
Dokumentation gesichert werden. Sie liegt vor und zwingt zu
einer zeitlichen Eingrenzung des Mosaiks, das heißt, seiner Einbringung in die
Kirche. Danach kann diese nicht vor dem letzten Drittel des 10. Jahrhunderts
erfolgt sein, nicht aber nach Ablauf des ersten Drittels des 11. Jahrhunderts.

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