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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/ortenau1976/0204
Solche Glückskinder erfahren von ungeschriebenen Geschichten des heimatlichen
Bodens, von jenem stillen Wirken und Leben der Altvordern,
das kein Geschichtsschreiber zum Vorwurf genommen, und nicht selten
von Dingen, die weit über jene Zeit zurückreichen, da der erste Geschichtsschreiber
sein Rohr in die Tinte tauchte." 8

Das Schlimmste aber geschah dort, wo mehrere Namen nicht einem der
ihren, sondern einem künstlich neugeschaffenen weichen mußten. (Wie
weit es her ist mit solcher Kunst, zeigt, beispielsweise, der aus
„Schwarzach", „Söllingen" und „Greffern" erzeugte Wechselbalg namens
„Rheinmünster", ein wahrlich bläßliches, papierenes und unoriginelles
Geschöpf: es stehen ja mehrere Münster am Rhein; wer aber zukünftig
das der Historie als solches bisher wohlvertraute Schwarzacher Münster
sucht, der findet an seiner Stelle vielleicht etwas Neues — das Rhein-
münsterer Münster.) „Viele Namen (...) hören durch Verfügung höherer
Verwaltungsbehörden auf, andere werden künstlich eingeführt. Ich erinnere
einerseits an die namenvertilgende Tätigkeit vieler Forstbehörden,
welche es wissenschaftlicher finden, Bezirke mit Nummern statt mit
Namen zu bezeichnen, andererseits an die Tätigkeit solcher, welche altehrwürdige
Namen abschaffen, um neue und sehr oft unglücklich gewählte
an ihre Stelle zu setzen. Neue Namen sind eigentlich nur da zu
rechtfertigen, wo das Objekt bisher gar keinen oder zum mindesten einen
nichtssagenden Namen trug, was freilich nur ein richtiger Namenkenner
beurteilen könnte." 4

Soviel zu einem gewiß polemischen Plädoyer, gehalten gewissermaßen
im Namen der Namen, eingedenk ihres humanen, ihres poetischen und
historischen Wesens, aufgrund dessen sie eben doch mehr sind als bloßer
Schall und Rauch. Die baden-württembergische Gemeindereform hat ihnen
vernichtender den Prozeß gemacht als Pest und Krieg es je zuvor vermochten
; vielleicht insgesamt, bestimmt aber im hier berührten Punkt
gleicht sie einem Schwabenstreich, oder (um eine badische statt württembergische
Wendung zu gebrauchen) dem Hornberger Schießen; wobei
freilich zu hoffen bleibt, daß beispielsweise auch dieses Hornberg noch
lange als ein Name bestehen — und daß diese Verteidigung nicht noch als
ein Nachruf sich erweisen wird.

Schlußwort, nach Jacob Grimm: „Mit größtem Fug nimmt man bei Forschungen
über das Altertum und die Sprache der Völker auf die Eigennamen
Bedacht, und keinem andern Volke fließt diese Quelle der reichhaltigsten
Aufschlüsse lauterer als dem deutschen."5 So begann kein
Geringerer als der Begründer der deutschen Sprach- und Altertumswissenschaft
, welcher der Verteidigung zu guter Letzt zum Kronzeugen
dienen mag, einen Aufsatz über Ortsnamen; „ihre Ergründung", so heißt

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